Last Updated on 3. Februar 2022 by Marita
“Ich möchte ja gern mit der Ex sprechen, gewaltfrei Konflikte lösen und ihr wirklich gern Empathie entgegenbringen, aber sie verweigert einfach sämtliche Kommunikation. Ich bin überzeugt, dass ein Gespräch, auf das sie sich wirklich einlassen würde, uns allen helfen würde. Aber wie gesagt, das möchte sie nicht.”
Kennst du das? Dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Dieses Abprallen an einer unsichtbaren Mauer. Diese leise, aber dennoch unverkennbar aggressive Verhalten. Du weißt nicht mehr weiter. Du gibst dir solche Mühe, aber der andere blockiert, geht weg, bricht das Gespräch, sämtliche Kommunikation oder vielleicht sogar den Kontakt ganz ab. Kurzum, komplett die Kommunikation verweigert.
Wie soll das denn dann überhaupt noch klappen mit der schönen Gewaltfreien Kommunikation?
Kommunikationsverweigerung ist passive Aggression
Schweigen als Ausdrucksform in einem Streit nennt die Psychologie „passive Aggression“.
Darunter versteht man ein Verhaltensmuster, das im fortgeschrittenen Stadium an ein Trotzverhalten erinnert, wie es in der Pubertät häufig zu finden ist. Oft fängt es harmlos an, mit Reaktionen, die zunächst nicht aggressiv wirken, durch die Häufigkeit aber zum Mobbing werden können. Es sind kleine Dinge, die den Beziehungspartner mit der Zeit mürbe machen. Es kommt immer wieder vor, dass der passiv-aggressive Mensch Informationen nicht weitergibt, seinen Partner somit „auflaufen“ lässt und später ganz harmlos tut und feststellt, es müsse ein Missverständnis oder ein Versehen sein.
Personen mit passiv-aggressivem Verhalten sind zur zwischenmenschlichen Problemlösung und Aussöhnung oft nur in einer zynisch-pessimistischen Weise in der Lage. Sie begegnen Menschen, die ein offensichtlich glücklicheres Los gezogen haben, mit Neid, Missgunst und Groll. Oft sehen sich negativistische Persönlichkeiten als friedfertig an und halten ihre passiv-aggressive Art für gesellschaftskonform. (mehr Informationen auf Wikipedia )
Was sagt die Gewaltfreie Kommunikation zum Umgang mit Schweigen?
Vielleicht hast du beim Lesen jetzt innerlich genickt und gedacht: „Ja, das ist es. Genau so verhält sie sich. Bestimmt ist sie gestört und krank, das kann ja nicht normal sein.“ Doch halt!
Erinnere dich einmal, was ist der allererste Schritt in der GFK? Beobachten – ohne zu bewerten. Dieses Beschreiben eines Verhaltens als krankhaft ist nicht anderes, als dem Gegenüber ein Label zu verpassen. Du steckst ihn damit in eine Schublade, du reduzierst ihn auf eine Diagnose. Du bist nicht neutral, sondern eben bewertend. Genau so verhält es sich mit dem Wort „aggressiv“.
Die Wirkung von Bewertungen bzw. wertfreien Beschreibungen kannst du leicht an dir selbst feststellen. Sagt jemand zu uns: „Boar, du bist aber aggressiv!“ dann spüren wir deutlich, dass wir bewertet werden. Sagen wir das zu jemand anderem, ist uns das hingegen oft nicht bewusst, wir merken es erst an der Reaktion: Der Gegenüber geht in die Verteidungshaltung und widerspricht. Wie wir schon gelernt haben, erhöhen Urteile und Bewertungen die Aggressionsbereitschaft der bewerteten Person und verringern die Kooperationsbereitschaft.
Was kann ich tun, wenn die Kommunikation verweigert wird?
Zuerst hilft es schon einmal, sich in die passiv-aggressive Person hineinzuversetzen und nicht zu vergessen: Es gibt einen guten Grund für ihr Handeln. Und dies ist die bestmögliche Strategie, die ihr in diesem Moment zur Verfügung steht.
Psychologiewebseiten sind schnell mit Erklärungen, warum sich jemand so verhält:
- Es sei der Versuch, das Gesicht zu wahren,
- den Schein von vermeintlicher Souveränität, Stärke, Überlegenheit, Macht aufrechtzuerhalten,
- Dominanzstreben.
- Sich dem Dialog zu entziehen sei eine geschickte Art, den Konflikt zu verschärfen
- und ihn dabei dem anderen in die Schuhe zu schieben.
Diese Gedanken und Urteile kommen schnell und automatisch, der Wolf in uns. Eine Erklärung für das Verhaltensmuster sieht man in der Kindheit: Es handele sich dabei um Menschen, die ihre Aggression stets unterdrücken mussten, und Wutgefühle nie offen leben durften. Sie lernten nie, mit ihren negativen Gefühlen adäquat umzugehen. Sie haben Angst, für die offen gelebten unerwünschten Gefühle verurteilt zu werden. Wenn ein Kind schon früh für aggressives Verhalten bestraft wurde, oder auch Gefühle wie Wut unterdrückt wurden, dann konnte das Kind nicht lernen, wie ein vernünftiger Umgang mit Aggression aussieht.
Das kann ja tatsächlich sein. In der Gegenwart liegt der Grund für ein Verhalten aber immer darin, sich ein bestimmtes Bedürfnis zu erfüllen.
Tipp Nr. 1: Auf die Haltung kommt es an
Leider wurden viele Menschen in ihrem Leben bisher nicht oft danach gefragt, was ihre Bedürfnisse sind. Ihnen fehlt die Erfahrung, dass jemand gern freiwillig etwas zu ihrem Wohlergehen beiträgt.
Wenn sie wüssten, dass der Schlüssel zur Bedürfniserfüllung ist, sich dieser bewusst zu sein, sie auszusprechen und den anderen um etwas zu bitten, würden sie das gewiss tun wollen. Aus Erfahrung hören aber viele Menschen eine Forderung, auch wenn eine Bitte formuliert ist, oder einen Vorwurf, wenn sie danach gefragt werden, worum es ihnen geht.
Prüfe dich einmal selbst: Schwingt etwas davon in deinen Worten mit, wenn du mit ihr sprichst? Menschen nehmen eher Stimmungen als Worte wahr, also könnte es sein, dass sie darauf dann ablehnend reagiert. Da könntest du noch einmal deine Haltung überprüfen. Bist du wirklich der Überzeugung, dass sie aus guten Gründen handelt und möchtest du neugierig-helfend ihre Bedürfnisse erkennen?
Tipp Nr. 2: Empathie beginnt bei dir selbst
Hast du im Moment überhaupt die Kraft, ihr empathisch zu begegnen oder ist deine eigene Schale gerade leer? Dann musst du zunächst gut für dich selbst sorgen, bevor du wieder für andere da sein kannst. Höre in dich hinein, was brauchst du gerade? Gibt es ein Bedürfnis, das unerfüllt ist? Welche Strategien fallen dir dafür ein?
Tipp Nr. 3: Lass dich nicht auf einen Machtkampf ein
Wenn du dir im Klaren darüber bist, worum es dir geht, kannst du das klar und ohne Vorwürfe mitteilen. Wenn sich schon über Jahre hinweg Machtspiele und Mauern in einer Beziehung eingeschlichen haben, ist es natürlich schwer, wieder unvoreingenommen aufeinander zuzugehen. Mit einer offenen Haltung und dem Fokus auf die eigenen Bedürfnisse und die des anderen ist es aber niemals zu spät dafür.
Warum Menschen Kommunikation verweigern
Überlege dir, welche guten Gründe für Schweigen (eigenes oder das von anderen) es gibt.
- Ich bin emotional sehr bewegt.
- Ich bin sprachlos – mir fehlen Kenntnisse/Informationen.
- Ich möchte nicht bloßgestellt werden.
- Ich bin unsicher, was ich sagen soll.
- Raum und/oder Zeit passen nicht.
- Es ist eine „festgefahrene“ Situation.
Wenn du diesen Perspektivwechsel zulässt, erscheint das Schweigen in einem anderen Licht. Es hilft, sich in die schweigende Person hineinzuversetzen und nicht zu vergessen: Es gibt einen guten Grund für ihr Handeln. Und die Kommunikation zu verweigern ist die bestmögliche Strategie, die ihr in diesem Moment zur Verfügung steht, sich ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Übung: Gedachte Empathie bei Kommunikationsverweigerung
Man kann niemanden zum Gespräch zwingen. Aber es ist möglich, die innere Einstellung zu der Person zu verändern, die die Kommunikation verweigert. Das tust du in erster Linie nicht unbedingt für diese Person – sondern für dich selbst! Damit du dich nicht mehr darüber ärgerst, sondern gelsassen damit umgehen kannst.
- Welches Gefühl vermutest du beim anderen?
- Was würde der andere brauchen? Was ist ihm wichtig?
- Welches Bedürfnis könnte zu kurz gekommen sein?
Indem du deinem Gehirn mit diesen Fragen etwas zu tun gibst, kommst du selbst raus aus deiner gefühlten Ohnmacht. Und wenn du es in die empathische Haltung schaffst, wird vielleicht sogar wieder ein Gespräch möglich.
Wo kann ich in Heidelberg einen Gfk trainer finden?
Hallo Anna, schau gern mal auf der Seite vom Fachverband: https://www.fachverband-gfk.org/mitglieder-und-trainerinnen-suche Dort bin ich mit meinen GFK-Trainerkollegen gut zu finden. Was suchst Du denn konkret? Einen GFK Kurs? Liebe Grüße,
Marita
Hallo,
danke für den Bericht.
Dieser ist jedoch sehr einseitig. Stellt denjenigen, der die Kommunikation sucht, als Guten dar und jenen, der sie verweigert, als Bösen.
Die Gründe können vielfältig sein – allen voran natürlich, dass sich der Partner nicht auf den Expartner des Partners einstellen will – ja sogar das nicht sollte.
Ich sehe die Verbindung (und somit den Kontakt) als falsch an. Und bei einem gemeinsamen Kind, muss der Partner den Kontakt zu seiner/seinem Ex auf Kindsthemen beschränken. Mehr Kontakt oder sogar eine Freundschaft würde nur den Partner kränken und die Beziehung enorm belasten.
Danke für deine Rückmeldung.
Ich glaube nicht, dass es einen „guten“ und einen „bösen“ Part gibt. Vielmehr hat jeder gute Gründe für sein eigenes Verhalten.
Gute Gründe für Schweigen können sein:
– Ich bin emotional sehr bewegt.
– Ich bin „sprachlos“
– Mir fehlen Kenntnisse/Informationen
– Ich bin unsicher, was ich sagen soll
– Raum und/oder Zeit passen nicht.
– Es ist eine „festgefahrene“ Situation.
Für all das kann ich dem Schweigenden (gedanklich) Empathie geben.
Ist das nachvollziehbar?
Liebe Grüße,
Marita
Ich glaube, dass es noch weitere Gründe gibt z.B. dass der Andere tatsächlich Anlass gegeben hat, auf ihn zu Recht stinksauer zu sein, dieser sich jedoch fernab jeglicher Einsicht und notwendiger Selbstkritik bewegt hat.
Irgendwann resigniert man darüber frustriert, gibt auf, weil der andere nur alles abgewehrt hat und bricht dann den Kontakt ab.
So geschehen bei einer Freundin. Ihre Antwort: Du hast den Kontakt abgebrochen, weil DU im Moment sicherlich eine Pause brauchst.. . Schon wieder demonstriere sie hiermit deutlich, das hätte überhaupt nichts mit ihr zu tun, was mich nur noch wütender machte.
Danke für die Ergänzung! Kontaktabbruch an sich ist auch eine Art der Kommunikation. Aber die Message dahinter kam anscheinend nicht an. Das klingt auch ein bisschen wie früher, als man Kinder ins Zimmer geschickt hat „damit sie über ihr Verhalten nachdenken“. Das klappte schon damals nicht.
Du bist sauer und verletzt und wünschst dir im Grunde Verständnis und Nähe (ja?). Durch den Kontaktabbruch bekommst du das aber leider auch nicht.
Vielleicht möchtest du etwas Perspektivwechsel versuchen?: Was steckt denn bei der Freundin dahinter? Warum verhält sie sich so? In welchem Punkt hat sie eigene Ansichten („fehlende Selbstkritik“)? Kannst du dahinter gucken? Wenn sie sich verstanden fühlt, ist sie vielleicht auch bereit, sich deine Sichtweise anzuhören…
Liebe Grüße, Marita
Das erhoffen sich Menschen von dem Silent Treatment
Nicht selten wenden narzisstische Menschen das Silent Treatment in ihrem Umfeld an, denn so stellen sie eine emotionale Abhängigkeit her. Betroffene suchen trotzdem mehrmals das Gespräch, um das Problem zu lösen oder die Schweigebehandlung zu unterbinden. Durch die Abhängigkeit der anderen Person fühlen sich Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung stark und einflussreich. Sie können ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung befriedigen, welches ihren Selbstwert steigert und das eigene Ego pusht.
Es ist jedoch auch zu betonen, dass nicht nur Narzisst:innen von der Schweigebehandlung Gebrauch machen. Auch andere Trigger oder Erkrankungen der Psyche können zum Gebrauch dieser Manipulationstechnik führen. Welche Folgen dieses toxische Verhalten für Betroffene hat, wissen hingegen die Wenigsten, die es anwenden.
Hier der ganze Artikel
https://www.gala.de/lifestyle/liebe/silent-treatment–details-zur-schweigebehandlung-22616330.html
Wenn ihr Silent Treatment googled findet ihr viele Erklaerungen auch zu Narzissmus
Liebe Doris, danke für die Ergänzung! Narzissmus ist natürlich etwas ganz anderes. Wie man mit narzisstischen Expartnern umgehen kann, darüber hat Turid Müller einen Gastartikel geschrieben: https://www.patchworkaufaugenhoehe.de/2023/02/18/narzissmus-narzisstischer-expartner/
Hallo!
Das ist ja erschreckende, unprofessionelle Küchenpsychologie, die hier angeboten wird! Bsp: „Übung: Gedachte Empathie“
Da rät man zur Mutmassung mit darauf basierendem Handeln, statt zum aufklärenden Gespräch. Mit Mutmassungen liegt man immer falsch, macht Unterstellungen und begegnet mit den daraus gezogenen Schlüssen dem „Schweiger“. Gezielter als so kann man nicht sabotieren. Mein Beileid!
Hallo! Ich stimme dir zu: Ein klärendes Gespräch ist immer die erste Wahl. Wenn jemand allerdings dazu nicht bereit ist und sich ins Schweigen zurückzieht, kann man ihn ja nicht zum Reden zwingen. Dann bleibt nur das empathische Vermuten (denn der Abgleich über ein Nachfragen ist ja nicht möglich), um eine Idee davon zu bekommen, was in dem anderen vor sich geht. Was genau meinst du mit „sabotieren“? Liebe Grüße, Marita