Last Updated on 5. März 2024 by Marita
Bedürfnisse. Das ist ein Wort, das man im Alltag nicht oft benutzt. In der Alltagssprache kommt das gar nicht vor. Eher im Sinne von “bedürftig sein”. Das hat dann einen negativen Touch. Dabei ist es doch etwas ganz Wunderbares:
Ein Bedürfnis beschreibt etwas Universelles, etwas, das alle Menschen brauchen, mal mehr, mal weniger. Im einen Moment ist das eine erfüllt, im anderen Moment ein anderes. Und darüber können wir uns dann verbinden, weil jeder Mensch die gleichen Bedürfnisse hat.
Bedürfnisse sind wie ein Pendel
Jedes Bedürfnis ist manchmal erfüllt und manchmal unerfüllt. Das Bedürfnis selbst ändert sich dabei nicht. Es schwingt nur in die eine oder andere Richtung. Unsere Gefühle helfen und dabei zu erkennen, wie gerade um unsere Bedürfnisse bestellt ist.
Gefühle sind mit unseren Bedürfnissen verbunden…
…und nicht mit der Situation selbst!
Wir sind es gewohnt, unsere Gefühle direkt mit einer bestimmten Situation zu verknüpfen. Ich nehme einmal das Beispiel: Mein Kind springt auf dem Sofa herum. Ich sehe das und bin („automatisch“) genervt. Dabei liegt zwischen Reiz und Reaktion ein Raum. Ich kann selbst entscheiden, wie ich auf eine bestimmte Situation reagieren möchte.
Wenn wir die Ebene “Bedürfnis” dazwischenschalten, öffnen wir den Raum für Alternativen. Wir sagen dann nicht mehr: Das Kind muss aufhören, auf dem Sofa zu hüpfen, sonnst bin ich sauer. Sondern wir fragen uns selbst: Worum geht es mir? Welches meiner Bedürfnisse ist gerade nicht erfüllt?
Lies hierzu auch den Artikel: Wie du es schaffst, nie wieder beleidigt zu werden.
Worum geht es dir wirklich?
Hinter ein und derselben Situation können sich unterschiedliche Bedürfnisse verstecken: Bleiben wir bei dabei, dass das Kind auf dem Sofa herumhüpft. Warum könnte sich jemand darüber ärgern?
- Ruhe: Jemandem geht es vielleicht darum, dass er gerade Ruhe braucht. Ich hatte einen anstrengenden Tag. Dass jetzt das Kind herumhüpft, ist einfach zu viel. Das Bedürfnis nach Ruhe ist nicht erfüllt, deshalb fühle ich mich gestresst. Weil mein Bedürfnis nach Ruhe nicht erfüllt ist.
- Sauberkeit: Das Kind hat keine Schuhe an, ist draußen barfuß gelaufen, und jetzt hüpft es mit den schmutzigen Füßen auf dem Sofa. Die gleiche Situation – ein ganz anderes Bedürfnis. Daran sieht man schon: Es sind unterschiedliche Bedürfnisse, und deshalb auch unterschiedliche Lösungsstrategien, die letztendlich dazu beitragen, dieses Bedürfnis zu erfüllen.
Das ist der erste Schritt: Du musst dir persönlich darüber klar werden, worum es dir geht. Erst wenn du das weißt, solltest du mit dem Kind in Kontakt treten. Und zwar auf dieser verbindenden Ebene.
Was für ein Bedürfnis hat der andere?
Der nächste Schritt ist zu schauen: Was für ein Bedürfnis hat das Kind?
Das ist das Entscheidende. Ich glaube fest daran, dass jeder Mensch so handelt, dass seine Bedürfnisse erfüllt werden. Das heißt, wenn mein Kind oder irgendjemand etwas tut, tut es das aus einem bestimmten Bedürfnis heraus.
- In dem Fall könnte das Bedürfnis vom Kind “Bewegung” sein. Es saß vielleicht in der letzten Zeit still herum und hat gepuzzelt, und jetzt möchte es noch einmal toben.
- Es könnte aber auch etwas ganz anderes sein, zum Beispiel möchte das Kind Aufmerksamkeit oder Verbindung. Es möchte nicht allein sein, es fühlt sich einsam und wählt jetzt diese Strategie, auf dem Sofa zu hüpfen, damit zum Beispiel die Mutter dazu kommt und sich mit ihm beschäftigt.
Unterschiedliche Bedürfnisse führen zu unterschiedlichen Lösungen.
- Wenn es nur um die Bewegung geht, kann ich ja zu meinem Kind sagen: “Spring doch bitte draußen auf dem Trampolin!” oder “Fahr doch lieber eine Runde Fahrrad” oder so etwas.
- Wenn es aber um die Verbindung geht, und das Kind möchte gerade Aufmerksamkeit und Zeit mit jemand anderem verbringen und nicht allein sein, dann wird diese Lösung einfach nicht helfen!
Daran sieht man, wie wichtig es ist, hinter dieses Bedürfnis zu kommen.
Die eigenen Bedürfnisse und die der anderen sind gleich wichtig.
Menschen handeln, um sich ein Bedürfnis zu erfüllen. Das heißt gleichzeitig, sie handeln nicht gegen mich.
Das Kind hüpft nicht auf dem Sofa, um dich zu ärgern. Es tut es aus einem guten Grund. Ein Bedürfnis ist immer etwas Positives. Es ist ja völlig okay, ein Bedürfnis nach Bewegung zu haben. Das haben wir alle manchmal. Vielleicht nicht in diesem Moment. Aber man kann das nachvollziehen.
Genauso kann das Kind nachvollziehen, dass es ein grundlegendes Bedürfnis nach Ruhe gibt.
Bedürfnisse verbinden
Das Schöne ist, dass man diese Bedürfnisse verbinden kann. Ich nenne das gern “unden”, also “und machen”, verbinden. Dein Bedürfnis UND mein Bedürfnis sind beide gleich wichtig, und wir finden eine Lösung, die beide 100 Prozent zufriedenstimmt.
Bei dieser Lösung ist auch wichtig: Das ist kein Kompromiss. „Du hüpfst 5 Minuten, und dann bist du aber still.“ Sondern wir suchen so lange nach einer Lösung, bis beide wirklich zufrieden sind.
Wie sieht das konkret aus. Sagen wir mal, in dem Fall hat das Kind das Bedürfnis nach Bewegung, und ich habe das Bedürfnis nach Ruhe.
Damit sind wir ja schon einen ganzen Schritt weiter: Wir haben schon mein Bedürfnis und sein Bedürfnis erkannt.
Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation sagt:
In dem Moment, in dem beide die Bedürfnisse des anderen verstanden haben – und verstanden heißt nicht einverstanden sein, das heißt einfach nur, ich verstehe, worum es dir geht, warum du das machst, was du gerade brauchst – dauert es nur noch 20 Minuten, bis man eine Lösung findet.
Marshall Rosenberg
Das finde ich wahnsinnig toll, weil das so absehbar ist. Es ist dann kein endloses “Mach das”, “Mach das nicht”, “Ich will aber nicht” und man hat diesen Konflikt, sondern man versteht, worum es geht, kann sich verbinden und dann sagen: Suchen wir eine Lösung, die beides abdeckt.
- Das könnte dann in dem Fall sein: Wir machen zusammen eine Radtour. Ich habe meine Ruhe, und das Kind hat Bewegung.
- Oder ich frage den Papa, ob er noch eine Runde mit dem Kind tobt, und trinke in der Zeit in Ruhe einen Kaffee.
Bedürfnisse: 3 einfache Schritte zur Lösung
So kommst du in 3 einfachen Schritte raus aus dem Machtkampf: Ich will A, du willst B, beides geht nicht.
Auf der Bedürfnisebene öffnet sich der Raum für viele unterschiedliche Lösungen.
- Finde dein eigenes Bedürfnisse heraus. Dabei helfen dir deine Gefühle.
- Versuche zu verstehen, welches Bedürfnis der andere hat.
- Findet gemeinsame Lösungen, um beide Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen (zu “unden”). Das Ziel ist eine Lösung zu finden, die beide zufriedenstellt.
Wenn du mehr über den Umgang mit der Kindsmutter lesen möchtest, klick hier: „Kommunikation verweigert: Da kann Gewaltfreie Kommunikation nicht funktionieren – oder doch?“