Last Updated on 19. März 2023 by Marita
Du hast einen Mann kennengelernt, der schon ein Kind hat. Gleich am Anfang der Beziehung oder sogar noch vor der Entscheidung, Dich auf diesen Partner einzulassen, tauchen möglicherweise diese Fragen in Dir auf:
- Will ich wirklich “Stiefmutter” sein? Kann ich das schaffen?
- Wie ernst meint er es mit mir? Von seiner Ex hat er sich getrennt, obwohl sie ein Kind zusammen haben.
- Die Umgangsregelung blockiert die Hälfte alle Wochenenden, Urlaube und Feiertage. Wo bleibt da noch Zeit für mich und meinen Partner?
- Als Mutter seines Kindes wird die Ex immer ein Bestandteil unseres Leben sein. Wie kann ich damit leben, dass immer eine fremde Frau präsent ist?
Unrealistische Erwartungen und Wünsche
Es ist gut und wichtig, sich mit diesen Fragen so früh wie möglich auseinanderzusetzen. Die Verliebtheit und die “rosarote Brille” können leicht dazu führen, dass die Familienmitglieder unrealistische Erwartungen und Wünsche an sich selbst und die anderen haben. Sie entwickeln die Vorstellung oder vielmehr den Wunsch, dass “schon alles gut wird” und in perfekter Harmonie funktionieren wird.
Statt die Aufmerksamkeit auf solch vage Hoffnungen und Wünschen zu legen, ist es sinnvoller, die dahinterliegenden Bedürfnisse in den Fokus zu nehmen. Für ein langfristiges harmonisches Zusammenleben sollen die Bedürfnisse aller Familienmitglieder beachtet und erfüllt werden. Die erste Schwierigkeit besteht oftmals schon darin, zu erkennen, welche Bedürfnisse gerade bestehen und sie von den Dingen abzugrenzen, die keine Bedürfnisse, sondern Wünsche sind.
Bedürfnisse vs. Wünsche
Bedürfnisse sind allgemein, abstrakt und frei von konkreten Handlungen. Sie zu erfüllen ist für das Überleben notwendig. Das gilt nicht nur für grundlegende körperliche Bedürfnisse wie Essen, Schlafen oder Atmen. Auch die Erfüllung von Bedürfnissen wie Freiheit, Sicherheit oder Liebe ist für ein glückliches Leben und eine gesunde Entwicklung essentiell.
Wünsche sind Dinge, die nicht unbedingt notwendig sind, die man aber gerne hätte. Im Sinne der GFK sind sie als Strategien oder Bitten einzuordnen. Es handelt sich um konkrete Dinge oder Handlungen, die an das Verhalten eines bestimmten Menschen geknüpft sind. Am Wochenende in die Sauna zu gehen ist beispielsweise ein Wunsch. Dahinter steckt zwar ein Bedürfnis, etwa nach Ruhe. Dieses kann aber auch auf andere Art und Weise erfüllt werden, zum Beispiel durch Spazierengehen, Kaffee trinken oder auf dem Sofa ausruhen. Genau dieser Wunsch, den man im Kopf hat, ist nicht unbedingt notwendig.
Das Bedürfnis hinter dem Wunsch
Hinter den meisten Wünschen steckt ein Bedürfnis, das es gilt herauszufinden. Bleiben wir bei dem obigen Beispiel mit dem Saunagang. Statt Ruhe könnten auch andere Bedürfnisse hinter diesem Wunsch stehen: Gesundheit, Verbindung (etwa zu einer Freundin, die mitkäme) oder Freiheit. Über die Erfüllung dieses Wunsches versuchen wir, unsere dahinterliegenden Bedürfnisse auf Umwegen zu erfüllen.
Es ist daher wichtig, dass jeder für sich selbst den Prozess der inneren Klarheit durchgeführt hat. Erst wenn mir selbst meine Werte und Bedürfnisse bewusst sind, kann ich dafür sorgen, dass diese erfüllt werden. Und erst das Wissen über das Bedürfnis lässt mich meine “Lieblingslösung” loslassen und eröffnet damit den Raum für weitere Strategien.
Trennung der leiblichen Eltern
Einer Patchworkfamilie geht immer die Trennung der leiblichen Eltern voraus. Insofern erfordert die Anfangsphase die Bewältigung dieser Trennung durch die Eltern selbst und die betroffenen Kinder. Je nachdem wann der neue Partner an der Seite eines der Elternteile auftaucht, kann “die Neue” als Trennungsgrund angesehen werden. Das erschwert möglicherweise die Akzeptanz bei den Kindern.
Für die leibliche Mutter ist es auch oft schwer, eine neue Partnerin an der Seite ihres Ex-Mannes und noch mehr als Ersatzmutter für ihre Kinder zu akzeptieren. Aus einer Angst heraus, die Kinder zu verlieren, und dem dahinterliegenden Bedürfnis nach Sicherheit und Verbindung entstehen oft Handlungen, die von der Stiefmutter als destruktiv erlebt werden. An dieser Stelle hilft ein Bewusstsein genau dafür und eine offene Haltung sowie der Wunsch, das Verhalten verstehen zu wollen.
Die Gestaltungsmöglichkeit liegt immer nur bei einem selbst. In der Position der Stiefmutter kannst Du Dich aktiv mit den folgenden Fragen auseinander setzen.
Mann mit Kind: Will ich wirklich “Stiefmutter” sein? Die Frage des Selbstbildes
Wir alle kennen sie aus Märchen: Die bösen Stiefmütter sind grässliche, hässliche Frauen, die kleine Kinder allein in den dunklen Wald schicken oder vergiftete Äpfel verteilen. Das herzensgute Schneewittchen, das arme Aschenputtel, Hänsel und Gretel, die Goldmarie – sie alle hatten eine böse Stiefmutter. In den 200 Märchen der Brüder Grimm gibt es insgesamt 13 Stiefmütter – und tatsächlich ist keine davon gut.
Bonuseltern, Vizemon oder Zweitmutter?
Der Begriff Stiefmutter weckt daher bis heute keine schönen Assoziationen, ganz im Gegenteil. Böse, hartherzig, kaltblütig. Wer möchte sich mit diesen Adjektiven schon gern in Verbindung bringen lassen? Leider hat sich trotzdem kein anderer Ausdruck gesellschaftlich durchgesetzt. Der dänische Erziehungsexperte Jesper Juul prägte die Bezeichnung “Bonuseltern”. Andere sprechen von der “Vizemom” oder “Zweitmutter”. Diese Begriffe sind aber im Alltag weiter erklärungsbedürftig und daher höchstens familienintern hilfreich. Welche “Anrede” ihr später für Dich wählt, ist noch eine ganz andere Entscheidung.
Kennst du schon Else, Ute und Nils? Ihnen wirst Du auf Deiner Reise ins Patchworkleben häufig begegnen.
Das Idealbild der leiblichen Mutter
Dem gegenüber steht das Idealbild einer leiblichen Mutter. Gut, liebevoll, mit einer innigen Bindung zu ihrem Kind – also durchweg positiv besetzt. Zur Entscheidung für einen Mann, der schon ein Kind hat, gehört auch der Abschied vom eigenen “Kleinmädchentraum vom Traummann, Hochzeit und Bilderbuch-Familienleben”. Durch viele Märchen und Filme hat sich dieses Bild in unseren Köpfen als Wunschvorstellung festgesetzt. Dabei entstand das Leitbild der „traditionellen“ Familie – einer lebenslangen Gemeinschaft von Vater, Mutter und Kind – erst mit dem Aufstieg des Bürgertums im 18. und 19. Jahrhundert. In den 1950er und 60er Jahren war dieses Familienleitbild so dominant wie nie zuvor und wurde von der Mehrheit der Bevölkerung gelebt, ohne sie zu hinterfragen. Es ist also kein Wunder, dass wir der Idealvorstellung entsprechen wollen.
Dein Selbstbild als Stiefmutter
Als Stiefmutter versuchst Du, Dich gegen das Klischee zu wehren. Du bist bemüht, eine gute Beziehung zu den Kindern Deines Mannes aufzubauen. Im ersten Selbstfindungsprozess als Stiefmutter hast Du vielleicht den Gedanken, dem Kind eine Freundin sein zu wollen. Aber spätestens, wenn Fragen der Erziehung auftauchen, fängt das Gerüst im Kopf an zu wanken. Dich jetzt schon mit den Verhaltensweisen zu beschäftigen, die dann oft ablaufen, hilft Dir, mehr Klarheit darüber zu bekommen, und dann bewusst zu entscheiden, wie Du reagieren möchtest. Die Falle, in die viele Stiefmütter tappen, ist ein enormer Erwartungsdruck. Im Kampf gegen das Klischee der “bösen Stiefmutter” gibt es die Tendenz, eine perfekte Übermutter sein zu wollen. Gerade als kinderlose Stiefmutter vielleicht sogar noch besser als die “echte” Mutter. Dagegen rebellieren die Stiefkinder dann ihrerseits.
Die Stiefmutter als Aschenputtel
Das Perfektionsstreben macht nicht nur uns selbst einen enormen Druck, sondern überträgt diesen später auch auf die Beziehung zu dem Kind. In dem Bemühen, möglichst schnell eine möglichst gute Beziehung zum Bonuskind aufzubauen, neigen einige Frauen dazu, sich zu verbiegen. Zurückzustecken, teilweise bis zur Aufopferung. Dann sind wir ruckzuck im Stiefmutter-Hamsterrad gefangen.
Der Grad zwischen Rücksichtnahme auf die Gefühle des Kindes und dem Verbundenbleiben mit den eigenen Bedürfnissen ist schmal. Es ist ein schleichender Prozess. Statt dem Märchen vom “armen Stiefkind“, das stiefmütterlich behandelt wird, fühlt sich im Laufe der Zeit dann die Stiefmutter wie Aschenputtel. Die alles tut und nichts zurückbekommt. Dem Perfektionsanspruch, als eine Art Übermutter die Familie glücklich machen zu können, kann niemand gerecht werden. Wenn die eigenen Bedürfnisse über lange Zeit vernachlässigt werden, ist das nicht gesund.
Du kannst diese Gedanken gar nicht nachvollziehen? Auch das ist in Ordnung. Vielleicht kommst Du in deiner Entwicklung als Stiefmutter später in Situationen, in denen solche Fragen auftauchen. Sich bewusst zu sein, welche Schwierigkeiten üblicherweise auftreten können, ist ein wichtiger innerer Prozess. Einfach diese Überlegungen durchzuspielen, hilft Dir später dabei, Dich bewusst auszurichten.
Mann mit Kind: Wie ernst meint er es mit mir? Wenn Selbstzweifel auftauchen
Von seiner Ex hat er sich getrennt, obwohl sie ein Kind zusammen haben.
- Was bedeutet das für unsere Beziehung?
- Ist er unzuverlässig? Unbedacht?
- Vielleicht kommen sogar ganz in die Zukunft gerichtete Gedanken wie “Würde er mich vielleicht auch verlassen, wenn wir erst mal Kinder haben?”
Charakter vs. Verhalten
Da hilft nur ein Abgleich mit der Realität. Was ist in der vergangenen Beziehung vorgefallen? Was waren seine Gründe für die Trennung? Ein Verhalten in einer bestimmten Situation muss keine grundsätzliche Charaktereigenschaft sein. In erster Linie steckt dahinter ein Bedürfnis, das durch die ausgewählte Strategie erfüllt wurde. Spekulationen über grundlegende Eigenschaften sind an dieser Stelle so wenig sinnvoll wie verlässlich.
Das Bedürfnis nach Sicherheit
Besser ist es da, offen über die Zweifel und Ängste zu sprechen. Jeder Mensch wünscht sich Beziehung und Verbindung zu anderen Menschen. Das ist unsere Natur. Dass auch ein gewisses Bedürfnis nach Sicherheit in uns ist, ist für alle Menschen gleich und damit auch für den Partner nachvollziehbar. Unterschiedlich ist die Strategie, die man wählt, um dieses Sicherheitsgefühl herzustellen. Ob es diese Sicherheit in einer Beziehung, Ehe oder Elternschaft gibt, lässt sich nicht allgemein beantworten. Was wünschst Du Dir konkret? Ein Versprechen? Die Bereitschaft zuzuhören und sich regelmäßig auszutauschen? Ein gewisses Maß an Zeit zu zweit? Wodurch würde sich für Dich emotionale Sicherheit einstellen?
Dein innerer Prozess
Schau in Dich selbst hinein.
- Wie waren Deine eigenen Beziehungen?
- Wie die Deiner Eltern?
- Welche Idealvorstellung hat Dich geprägt?
- Was macht Dir Angst?
- Welche Werte sind Dir wichtig?
- Woraus ziehst Du Deinen Selbstwert?
Wenn Du in Dir gefestigt bist, wirst Du ein Stück weit unabhängiger vom Verhalten der anderen. Deine Gefühle werden durch Deine Gedanken beeinflusst – nicht durch die Situation. Was denkst Du über Dich selbst?
Wenn Du diesen inneren Prozess durchlaufen bist, kannst Du Dich entscheiden, ob Du Deine Erkenntnisse mit Deinem Partner teilen möchtest. Vielleicht ist es auch interessant und hilfreich zu hören, wie seine Einstellung ist. Zuhören und miteinander sprechen sind die Basis für eine stabile Beziehung.
Wechselmodell oder Umgangsregelung? Die Frage nach der Zeiteinteilung
In der klassischen Familie sind zunächst die beiden Partner ungebunden und nur für sich selbst verantwortlich. Das führt zu einer Leichtigkeit und Zeit der Freiheit, in denen die Beziehung wachsen und sich vertiefen kann. Wenn schon Kinder da sind, ist diese Zeit begrenzt. Vielleicht gibt es am Anfang noch einige Wochen, in denen die Kinder nicht sichtbar sind. Aber auch das Wissen darum, die Gespräche, die eigenen Gedanken machen einen Unterschied.
Wenn das Kind bei der Mutter lebt, sind durch die Umgangsregelung oft die Hälfte alle Wochenenden, Urlaube und Feiertage blockiert. Wo bleibt da noch Zeit für mich und meinen Partner?
Die Regelungen des Umgangs sind in jeder Patchworkfamilie anders. Oft sind sie gerichtlich festgelegt und werden konsequent durchgezogen. Der Vorteil davon ist, dass eine gute Planbarkeit besteht. In vielen Fällen ist über das ganze Jahr hinweg klar, an welchen Wochenenden das Kind da ist und an welchen “frei” ist. Manch einer wünscht sich da mehr Flexibilität und Gesprächsbereitschaft.
“Wenn Die Kinder kommen, bin ich abgemeldet” – Eifersucht auf die Beziehung zwischen Partner und Kind
Es kann auch der Gedanke auftauchen, nur den zweiten Platz nach dem Kind zu besetzen. Die Beziehung zwischen Elternteil und Kind besteht bereits seit mehreren Jahren und wird durch die Blutsverwandtschaft ewig weiterbestehen. Anders als in der klassischen Familie wird also nicht das Paar durch ein Kind, sondern die Gemeinschaft von einem Elternteil und seinem Kind durch einen zusätzlichen Erwachsenen erweitert. Daher muss die Beziehung zwischen dem Paar anders aufgebaut werden.
Die Schwierigkeit besteht in den Gedanken: Es gibt in Dir einen Widerspruch zwischen dem, was Du fühlst, was Du denkst und was Du meinst, dass Du denken solltest. Der erste Schritt ist zu erkennen, welche Gedanken in Dir sind.
Ich wusste ja, dass er ein Kind hat. Stell Dich nicht so an. Das ist ja lächerlich, auf ein Kind eifersüchtig zu sein. Das Kind kann ja nichts dafür. Er sollte sich trotzdem anders verhalten. Er weiß doch, was mir wichtig ist. Liebt er mich überhaupt? Warum tue ich mir das an? Blöde Kinder. Es wäre viel schöner, wenn es sie nicht gäbe. In der Zeit, wo sie nicht da sind, ist alles so harmonisch zwischen uns. Der behandelt seine Tochter wie eine Prinzessin. Das kann doch auch nicht gut sein. Wenn ich jetzt was sage, bin ich wieder die Dumme. Es ist so anstrengend. Aber ich sollte das Kind doch lieben. Also zumindest lieb haben.
Gedanken und Gefühle?
Vielleicht kommt Dir einiges aus diesem Gedankenstrudel bekannt vor. Es sind Gedanken – keine Gefühle. Sie sind da, aber sie müssen nicht wahr sein. Die Probleme beginnen, wenn wir die Gedanken glauben, ja davon überzeugt sind, dass sie richtig sind. Der erste Schritt ist zu erkennen, dass es sich hier um Gedanken handelt. Urteilende Gedanken. Ich sollte anders fühlen als ich das tue. Mein Partner sollte sich anders verhalten. Das Kind sollte nicht da sein (oder sich anders verhalten). Das ist aber nicht die Realität. Deine Kraft dafür zu verwenden, den Ist-Zustand anders haben zu wollen, bringt Dich nicht weiter.
Stattdessen kannst Du zu Deinem Gefühl übergehen. Bist Du traurig? Müde? Wütend? Frustriert? Spüre in Deinen Körper hinein. Gefühle wahrzunehmen, wie sie sich körperlich ausdrücken, hat eine andere Kraft. Dann bist Du bei Dir. Analysiere nicht, sondern spüre einfach. Gefühle verschwinden nicht, wenn sie wegargumentiert und zur Seite gedrückt werden. Sie müssen wahrgenommen werden, damit sie danach abklingen können. Du bist traurig? Das ist völlig in Ordnung.
Was zeigt Dir Dein Gefühl? Dass Du etwas brauchst. Worum geht es Dir? Verbindung? Zugehörigkeit? Aus dieser Energie heraus kannst Du ganz anders mit Deinem Partner sprechen als wenn Du ihm vom Kopf her Vorwürfe machst.
In diesem frühen Stadium denkst Du vielleicht noch, dass es sicher viel Spaß macht, mit den Kindern etwas zu unternehmen. Und das ist auch so. Dennoch ist es eine komplett andere Freizeitgestaltung als die man als Single gewohnt war. Nicht jede findet Spielplatzbesuche spannend und geht gern ins Schwimmbad (statt in die Therme). Auch hier ist eine Verbundenheit mit sich selbst wichtige Voraussetzung, um langfristig zufrieden zu sein. Am besten füllst du deinen Akku, indem du dir selbst in deiner individuellen Sprache der Selbstliebe Aufmerksamkeit widmest.
Das Verhalten der Kindsmutter
Die Übergänge zwischen den Haushalten beziehen immer auch das Verhalten der Kindsmutter mit ein. Ist sie zuverlässig? Hält sie Vereinbarungen ein? Ist sie offen dafür, Termine auch mal zu tauschen oder “auszuhandeln”?
Wie auch immer ihr Verhalten sein mag – es gibt einen guten Grund dafür. Auch sie ist ein Mensch mit Gefühlen und Bedürfnissen. Ihre Handlungen haben nur den einen Zweck: sich selbst ein Bedürfnis zu erfüllen. Erinnere Dich an die Grundannahmen. Es ist eine bewusste Entscheidung, die Kindsmutter und ihre Handlungen aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Sie tut Dinge nicht, weil sie Dich ärgern will, nicht aus Neid oder Boshaftigkeit. Solange Du diese Einstellung hast und die Sichtweise, Verhalten nach richtig und falsch einzuordnen (“Das geht gar nicht! Das macht man doch nicht! So darf man sich doch (als Mutter) nicht verhalten!”), werdet ihr nicht weiterkommen.
Wenn es Dir möglich ist – weil Deine eigene Schale gut gefüllt ist und Deine Bedürfnisse soweit erfüllt – bring ihr Empathie entgegen. Frag Dich zunächst, was ihr Bedürfnis sein könnte. Worum geht es ihr? Zugehörigkeit? Verbindung? Unterstützung? Wahrscheinlich wählt sie gerade eine für Dich ungünstige Strategie, um sich dieses Bedürfnis zu erfüllen. Ist es Dir möglich, mit ihr darüber zu sprechen und etwas anderes zu erbitten?
Deine Gedanken und Gefühle
Es kann sein, dass Du Dich mehr und mehr unwohl fühlst. Die in Dir auftretenden Gefühle solltest Du nicht bewerten, sondern einfach wahrnehmen. Vielleicht fühlst Du Dich teilweise unfrei? Fremdbestimmt? Verplant? Was steckt dahinter, wenn Du diese Gedanken hast? Bist Du traurig? Wütend? Enttäuscht? Das könnte ein Hinweis auf etwas sein, was Du brauchst. Flexibilität? Selbstbestimmung? Ruhe?
Sprich Dein Bedürfnis aus. Damit steigt die Chance, dass es erfüllt wird. Wenn Du Dich selbst nicht ernst nimmst, tun andere es auch nicht. Oft ist nur eine bewusste Umplanung notwendig. Du wünschst Dir mehr Zeit mit Deinem Partner? Dann überlegt, wo ihr diese einbauen könnt. Ein gemeinsamer Abend in der Woche? Oder frühstücken gehen? Vielleicht könnt ihr gute Gespräche führen, während die Kinder beschäftigt sind. Es gibt immer eine Vielzahl an Lösungen, wenn man offen dafür ist, in verschiedene Richtungen zu überlegen.
Und wenn du alleine nicht aus dem Gedankenstrudel rauskommst – hol dir Hilfe! Hier kannst du dir einen kostenlosen Gesprächstermin bei mir buchen.
Zeit für Dich selbst
Und auch das Bedürfnis nach “Zeit für sich selbst” ist wichtig und wertvoll. Nur wenn Du gut Dich sorgst und Deinen Tank auffüllst, hast Du die Kraft, dann wieder für andere da zu sein. Es ist kein “Gesetz”, das Wochenende immer als “komplette” Patchworkfamilie zu verbringen.
Überprüfe einmal, wo dieser Gedanke herkommt.
- Ist es Deine Idealvorstellung?
- Eine Forderung des Partners?
- Wurde es offen ausgesprochen oder denkst Du das nur?
- Es gibt keine Verpflichtung, bestimmte Dinge zu tun und zu leisten.
Natürlich “darfst” Du Dir grundsätzlich erlauben, Dich auch an den Umgangswochenenden herauszuziehen. Etwas für Dich zu machen. Wichtig ist hier die offene Kommunikation mit Deinem Partner.
Wenn Kinder (zeitweise) mit im Haushalt wohnen, sind die Bedürfnisse nicht grundlegend anders. Immer geht es um Fragen der Selbstbestimmung, Autonomie, Ruhe, Verbindung, Unterstützung und ähnliche. Wichtig ist nur zu erkennen, wer braucht wann was. Kommunikation ist auch hier der Schlüssel dafür, dass alle Bedürfnisse gesehen und erfüllt werden können.
Mann mit Kind: Wie kann ich damit leben, dass immer eine fremde Frau präsent ist? Der Gedanke an die Ex
Als Mutter seines Kinder ist die Ex für immer ein Bestandteil Eures gemeinsamen Leben. Dadurch ergeben sich Fragen wie: “Wie kann ich damit leben, dass immer eine fremde Frau präsent ist?” oder “Das Kind sieht aus wie die Ex. Denkt er ständig an sie?” Vielleicht kommt auch der Gedanke auf, dass er unter Umständen zu ihr zurückgehen könnte. Durch die Verbindung als Eltern eines gemeinsamen Kindes teilen sie bestimmte Lebensbereiche, z.B. Schulthemen oder bei Krankheit des Kindes, zu denen die Stiefmutter zunächst keinen Zugang hat.
Die Ex gehört dazu
Die zusätzliche Person “leiblicher Elternteil” gehört zu dem Konstrukt Patchworkfamilie dazu. Sich darüber zu grämen und zu zermürben oder sich schlicht zu wünschen, es wäre anders, ändert rein gar nichts. Der Mann, in den Du Dich verliebt hast, ist so, wie er jetzt ist, weil er eine Geschichte hat. Die Erlebnisse aus seiner Vergangenheit haben ihn geprägt und verändert. Anzuerkennen, dass alles, was passiert ist, einen Grund hatte, wichtig und wertvoll war, ist heilsam.
Eltern sein vs. Paar sein
Eltern sein und Paar sein sind zwei verschiedene Dinge. Dass die gemeinsame Sorge um ein Kind nicht automatisch auch für eine enge partnerschaftliche Bindung sorgt, ist der Grund dafür, dass viele Paartherapeuten junge Eltern genau darin beraten: Auch und über die Elternschaft hinaus (Ehe-)Partner zu sein. Im Umkehrschluss bedeutet das für Dich als Stiefmutter, dass der Umgang über die Belange des Kindes nicht heißt, dass die Beziehung als solche noch eine Relevanz hat.
Umgangsverpflichtung
Unter Umständen ist es für Deinen Partner auch nicht leicht, ständig mit seiner Ex Kontakt haben zu müssen. Es gab ja einen guten Grund dafür, dass die Beziehung beendet wurde. Die Verpflichtung, mit der Person, die man nicht mehr liebt und von der man sich getrennt hat, weiterhin umgehen zu müssen, macht Patchwork so schwierig. In den meisten Fällen, in denen das Verhalten oder die Sichtweise einer anderen Person mich stört, steht es mir frei, mich von ihr zu distanzieren. Ich kann Freundschaften beenden, meinen Job kündigen, wenn mich mein Chef nervt, ja sogar den Kontakt zu anderen Familienmitgliedern abbrechen. In einer Patchworkfamilie ist das nicht möglich. Der Kontakt zum Kind ist fest mit dem Kontakt zur leiblichen Mutter verknüpft.
Sei vorsichtig mit Labels
Deine Gedanken erschaffen Deine Realität. Deshalb finde ich es besorgniserregend, wenn die Kindsmutter pauschal abgeurteilt wird. Genauso wie das Bild der “bösen Stiefmutter” in unseren Köpfen vorhanden ist (s.o.) gibt es in vielen Internetforen die böse “ELSE”. Das ist eine Abkürzung für die “Extrem lernresistente schwerumgängliche Ex-Frau”. Das halte ich – selbst wenn es augenzwinkernd gemeint sein sollte – für sehr problematisch.
Wenn wir einem Menschen ein Etikett verpassen, legen wir ihn in eine bestimmte Schublade ab. Wie schwer damit umzugehen ist, haben wir selbst mit dem Label “böse Stiefmutter” erfahren. Wir schränken mit einer pauschalen Bewertung unsere Wahrnehmung von der Gesamtheit des Menschen ein. Statt offen zu sein und unvoreingenommen das Bedürfnis hinter dem jeweiligen Verhalten zu sehen, werden wir die Handlungen dann immer durch den Filter sehen und automatisch bewerten. Das Label, das wir auf die Schublade bzw. den Menschen kleben, beeinflusst auch das Gefühl, das wir haben, sobald der Mensch etwas tut. Diese Haltung kann nicht zu einem offenen Umgang auf Augenhöhe führen.
Deine Handlungsfähigkeit
Du kannst auch das Verhalten der Exfrau selbst nicht aktiv beeinflussen. Entscheidend ist, wie Du damit umgehst. Wenn Du permanent an der Realität verzweifelst und Dich darüber aufregst, dass sie sich so verhält, dieses tut und jenes nicht, verwendest Du Deine Energie auf die falschen Dinge. Auch sie handelt aus einem Bedürfnis heraus, wenn vielleicht auch ihre gewählte Strategie ungünstig ist. Frage Dich doch einmal aus einer neugierig Haltung heraus, was das sein könnte. Wenn Du sehen kannst, dass sie zum Beispiel “unsicher ist, weil ihr Zugehörigkeit wichtig ist” (im allgemeinen Sprachgebrauch würde man sagen “sie steckt sich überall rein und kontrolliert das Kind”), ist das eine ganz andere Basis für Verständnis. Auf dieser kannst Du dann auch Dein Bedürfnis ausdrücken, zum Beispiel “ich bin irritiert, weil mir Vertrauen wichtig ist”. Wie diese Art der verbindenden Sprache genau aussieht, lernst Du in den weiteren Artikeln.
Mann mit Kind: Sorgen und Gedanken
Viele Sorgen und Gedanken, die Du Dir in der Kennenlernphase macht, sind eben genau das: Sorgen und Gedanken. Ob sie eintreten werden – wer weiß? Wie oft heißt es im Nachhinein: “Du wusstest doch, worauf Du Dich einlässt!” Doch Du kannst es eben nicht wissen, was es ein Kind von einer anderen Frau in der Beziehung zu Deinem Partner tatsächlich bedeutet. Welche Gefühle in Dir hochkommen. Wie Du “instinktiv” reagierst und in welche Fallen Du dabei tappst, siehst Du erst im Nachhinein. Du kannst Dich nur insofern vorbereiten, dass Du in Dir schaust: Welche Gedanken, Urteile, vielleicht auch Vorurteile habe ich? Sind diese tatsächlich “wahr” oder glaube ich es nur? Könnte es auch ganz anders sein? Wie kann ich mit meinen Ängsten und Wünschen umgehen? Welche Gefühle stecken dahinter? Und welche Bedürfnisse?
Ja, es gehört ein Stück Mut dazu, sich auf einen Mann mit Kind einzulassen. Du könntest verletzt werden, Du könntest traurig werden, vielleicht (ver)zweifelst Du in so mancher Situation. Du könntest aber auch glücklich sein, leicht, verbunden, erfüllt. Das ist das Leben. Und es ist wunderbar.
Das Ziel im Leben ist nicht, immer glücklich zu sein, sondern all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen. Was auch immer sich in uns offenbart, es ist das Leben, das sich darin zeigt, und es ist immer ein Geschenk, sich mit ihm zu verbinden.
Marshall B. Rosenberg
Liebe Martina!
Sie haben genau die Fragen, Gedanken formuliert, die meine „neue“ Freundin hat.
Es hilft mir besser zu verstehen, was in ihr vorgeht.
Danke für Ihren Artikel, es hat mir viel geholfen!
Lieben Gruß
M.
Lieber M. Über Ihre Feedback freue ich mich. Wie schön, dass ich zu Verständnis und Verbindung zwischen Ihnen beitragen konnte. Danke für die Rückmeldung. Liebe Grüße, Marita