Last Updated on 6. März 2023 by Marita
Medienkonsum Kinder ist ein Reizthema. In Patchworkfamilien kommt dazu, dass nicht beide Elternteile es gleich handhaben. In Corona-Zeiten ist der Medienkonsum zusätzlich stark angestiegen. Eltern fragen sich:
- Wie lange dürfen Kinder am Tag vor dem Fernseher sitzen?
- Wie viel am Tablet oder am PC?
- Ist Medienkonsum schlecht für die kindliche Gehirnentwicklung?
- Werden Kinder vom Fernsehgucken unkonzentriert, dick und doof?
- Und wie passt Medienkonsum zu einem bedürfnisorientierten Umgang?
Medienkonsum Kinder: Wissenschaftliche Erkenntnisse
Die Erkenntnis, dass man vom Fernsehen keine quadratischen Augen bekommt, hat sich mittlerweile durchgesetzt. Für alles andere gibt es wissenschaftliche Studien in beide Richtungen. Immer wieder tauchen angebliche Kausalitäten zwischen Fernsehkonsum und Entwicklung der Intelligenz auf, genauso häufig gibt es Gegenstimmen, die sagen man solle Kindern unbegrenzt schauen lassen, damit sie sich selbst zu regulieren lernen.
In Foren zu Erziehungsfragen gibt es vor allem die letztere Tendenz. Da wird es schon fast als übergriffig angesehen, wenn man nach einer vereinbarten Zeit den Fernseher ausschaltet, obwohl das Kind noch weiter schauen möchte.
Kurzum, kaum ein anderes Thema wird so kontrovers diskutiert und sorgt für so viel Streit und Unfrieden in Familien wie eben der Medienkonsum und vor allem das Fernsehen.
Ich sage in diesem Artikel nicht was richtig und falsch ist, was gut für Kinder ist oder schlecht, sondern ich erzähle davon, wie wir in unserer Familie damit umgehen.
Wie das Thema Medienkonsum in unserer Familie gelebt wird
Mein Mann und ich leben mit unseren drei Kindern zusammen. Unsere beiden Töchter sind sechs und sieben Jahre alt, der große Bruder ist 11. Da wir eine Patchworkfamilie sind, ist er jedes zweite Wochenende bei seiner Mutter. Dort hat er Zugang zu iPad, Laptop, Handy und TV. Wie frei und wie lange wissen wir nicht genau.
Wenn er aus den Umgangswochenenden zurückkommt, spricht er allerdings selten von anderen Dingen als den Filmen, die er gesehen, und den Computerspielen, die er gespielt hat.
Bis zur Einschulung haben die Mädchen jeden Abend das Sandmännchen geschaut, manchmal einige Episoden der Kinderserien auf kika. Und nicht weiter verwunderlich: Wenn die drei Kinder sich über irgendetwas einigen müssen, gibt es Diskussionen und nicht selten Streit. Das Gerangel darüber, wer wo sitzt, wer die Fernbedienung haben darf, wem es zu laut oder zu leise ist, wer welche Figur in der Serie ist (sic!), haben meine Geduld sehr herausgefordert. Es ging mir gar nicht so sehr um die Frage, wie viel geschaut werden darf, sondern vor allem um die Geschwisterstreitigkeiten um das Thema Fernsehen herum.
Auch hinterher kam es immer zu viel mehr Zoff und Terror als „normal“ ist. Die ganze aufgestaute Energie und der Frust über verlorene Kämpfe mussten wohl irgendwie rausgelassen werden.
Reizthema Medienkonsum: Ist Fernsehen nützlich?
Natürlich war nicht immer alles nur negativ. Manche mal haben die drei die Geschichten aus dem Fernsehen mit Legos oder im Rollenspiel weitergesponnen. Meine Tochter hat detailreiche Bilder von den Filmen gemalt und teilweise tauchten die TV-Helden tagelang im Spiel draußen wieder auf. Das ganze Merchandise Zeug um die Kinderserien herum war immer nur kurze Zeit interessant und es gibt genügend Freunde, die Action Figuren und Plastikschlösser zum gemeinsamen Spielen parat haben.
Mitreden können geht auch, ohne es gesehen zu haben
Allerdings habe ich auch festgestellt, dass es gar nicht notwendig ist, die Filme wirklich selbst gesehen zu haben, um zu den Fans von Bibi&Tina, Paw Patrol oder Starwars zu zählen. Da reicht es, wenn man Hörspiele oder Bücher davon hat oder sich von der Freundin den Titelsong vorsingen lässt, bis man ihn selbst auswendig kennt.
Nachdem der Große aus den Sommerferien bei seiner Mama zurückgekehrt ist, fing die TV Diskussion wieder von vorne an. Die beiden Mädchen hatten in der Zwischenzeit eine Serie für Vorschulkinder für sich entdeckt, die der Große natürlich total langweilig fand. Und nach einem Wochenende voller „Du willst ja immer nur bestimmen!“ und „Du bist ein Baby!“ beraumte ich eine Familienkonferenz zu dem Thema an.
Medienkonsum nicht nur bei Kindern: Den eigenen Fernsehkonsum analysieren
Mein Mann und ich hatten schon vorher überlegt, dass wir Erwachsene im Grunde sehr wenig fernsehen (ich meine tägliche halbe Stunde Daily Soap, er Sportschau). Wenn abends die Kiste an ist, sprechen wir automatisch weniger miteinander als z. B. im Urlaub, wo es keinen Fernseher gab. Und ein weiteres Argument: für den TV Anschluss zahlen wir immerhin 20 Euro im Monat. Geld, dass man gut für andere Dinge nutzen kann.
Mein Vorschlag war also: Wir schaffen den Fernseher ab. Von dem Geld, das wir dadurch sparen, machen wir einen tollen Familienausflug ins Spaßbad oder den Freizeitpark. Eine Taschengelderhöhumg war zum neuen Schuljahr schon angekündigt. Der wöchentliche Kinoabend mit einem Kinderfilm auf DVD bleibt. Und statt der halben Stunde Fernsehen nach dem Abendbrot spielen wir jeden Tag zusammen ein Gesellschaftsspiel.
Aussagen in der Familienkonferenz
Wir hatten mit großem Widerstand bei den Kindern, vor allem beim Großen, gerechnet. Der sagte allerdings als erstes: „Super! Ich will ins Schwimmbad mit den vielen Rutschen.“ Auf Nachfrage fügte er noch dazu: „Hier darf ich eh nur Sachen für Babys gucken und nicht so coole Filme wie bei meiner Mama.“ Die Kleine wünschte sich ein neues Brettspiel, nur die Mittlere sagte: „Aber ich will weiter das mit den Hunden gucken!“ Fürs Erste ließen wir die Diskussion ergebnisoffen. Jeder sollte für sich darüber nachdenken und bei der nächsten Konferenz sagen, was er sich vorstellt.
Dann passierte etwas Erstaunliches. In den nächsten Tagen fragen die Kinder nicht nach dem Fernsehen. Stattdessen schleppten sie Kartenspiele und Würfel herbei und wollten spielen. Vom Flohmarkt brachte ich einen ganzen Stapel neuer Spiele mit, die wir stundenlang rauf und runter testeten. Und der Fernseher blieb aus.
Erst einige Tage später fragte der Große, ob wir einen Kinoabend machen wollen, was wir auch direkt umsetzten. Nach dem Film wurde ausgeschaltet und weitergespielt… und jetzt haben wir die TV Box gekündigt.
Deine Haltung zum Medienkonsum Kinder: Was hältst Du davon, den Fernseher abzuschaffen?
Du findest das übergriffig? Du denkst, wir drücken den Kindern unsere Meinung auf und zwingen sie mitzumachen? Ich finde, dass wir einfach unsere Werte vorleben. Das halte ich für selbstverständlich als Eltern. Wenn der Papa jedes Wochenende im Stadion ist, wird das Kind auch Fußballfan. In einer gläubigen Familie gehen alle zusammen in die Kirche. Wenn die Eltern sich vegetarisch ernähren, essen auch die Kinder kein Fleisch. Da wir selbst nicht fernsehen (ja, ich habe mich nach 15 Jahren von meiner Telenovela verabschiedet), ist das authentisch.
Fernsehen ist kein Bedürfnis.
Medienkonsum ist nur eine mögliche Strategie, die unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen kann. Wenn man diese erkennt, kann man sie genauso gut auf andere Art und Weise erfüllen.
- Geht es um Entspannung? Dann tut es auch ein Hörspiel.
- Ist es der Wunsch mitreden zu können? Da reichen die Geschichten oder Lieder auf CD.
- Etwas zusammen unternehmen? Das tun wir durch das Spielen viel intensiver.
Insofern habe ich die Bedürfnisse der Kinder im Blick und unterstütze sie gern darin, sie auf verschiedene Arten zu erfüllen. Bedürfnisorientiert zu leben, heißt nicht, dass man jeden Wunsch erfüllen muss. Die Wünsche sind nur die konkreten Strategien. Was dahinter steckt, ist das Bedürfnis. Entscheidend ist die Frage: Was erfüllt sich dadurch, wenn der Wunsch erfüllt wird? Die Strategie, das Fernsehen abzuschaffen, ist eine Möglichkeit, mein Bedürfnis nach Harmonie zu erfüllen.
Mein Fazit: Kein Fernsehen schadet den Kindern nicht.
Ich bin überzeugt, dass die Kinder nichts verpassen, wenn sie nicht fernsehen. Auch wenn der Medienkonsum nicht schadet (s. Studien oben), zusätzlichen Nutzen bringt er jedenfalls meiner Meinung nach auch nicht.
Könnte es sein, dass die Kinder bald wieder danach fragen? Wahrscheinlich.
Schaffen wir irgendwann wieder einen Fernseher an? Vielleicht.
Bis dahin genieße ich die gemeinsame Zeit und die Ruhe auf dem Sofa.
Ich finde es richtig toll, dass ihr zu dieser Entscheidung gekommen seid. Bei uns gibt es. Die Regel, dass die Jungs nur am Wochenende gucken dürfen, und dann eigentlich so viel sie wollen, es sei denn es ist Besuch da oder wir unternehmen etwas. Leider gibt es in der jetzigen Zeit weniger zu unternehmen und mich stört es wahnsinnig, wenn sie fast den ganzen Tag Netflix gucken und zu nichts zu motivieren sind. Am liebsten würden sie 22 Stunden am Stück schauen.
Mein Partner findet das selbst nicht gut, benutzt den Fernseher im anderen Raum aber nach der Arbeit und Sonntags auch zur Entspannung. Dadurch kann ich es den Kindern schwer verbieten. Unfair, Papa guckt auch. Ja, und Papa meint, wir können doch sowieso nirgendwo hin.
Zudem merke ich genau wie du, dass die Stimmung danach unter den Jungs angespannt ist, sie können nicht mehr richtig was mit sich anfangen und streiten viel mehr.
Dachte eigentlich mal, die müssen lernen sich selbst zu regulieren. Ich hatte auch früh sogar einen eigenen TV im Kinderzimmer. Bin aber von allein sehr viel draußen gewesen und habe mit Freunden gespielt. Netflix gab es noch nicht.
Verzweifelte Grüße aus einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein
Liebe Nina, Du klingst ziemlich besorgt. Die Angst, dass Medien überhand nehmen, ist tatsächlich nicht so leicht abzulegen. Ich habe es gerade selbst wieder gemerkt: Seit Weihnachten haben die Mädchen Kinderkameras, allerdings können diese nicht nur fotografieren, sondern man kann auch Spiele darauf spielen. In den ersten Tagen gab es nichts anderes mehr, so dass ich schon überlegt habe, die „Kindersperre“ einzuschalten. Wie Du denke ich aber auch, dass es wichtig ist, sich selbst regulieren zu lernen. Das fällt ja selbst uns Erwachsenen total schwer! Wer kennt es nicht, das neudeutsche „Binge-Watching“, wenn eine neue Serie rauskommt.
Wie alt sind denn Deine Jungs? Ich habe mit meinen Kindern (jetzt 7 und 8) darüber gesprochen, warum ich mir Sorgen mache. Was im Gehirn passiert, wenn wir still sitzen und dabei bewegte Bilder anschauen. Das ist (so habe ich selbst irgendwo gelesen) wohl der Grund, warum sie hinterher so hibbelig und aufgedreht sind. Das haben sie verstanden und selbst Vorschläge gemacht, wie wir damit umgehen wollen. Aktuell gehen wir doppelt so lange raus wie wir Medien nutzen. Das klappt gut und entspannt mich. Ich denke, das wichtigste ist, dass ihr in Verbindung und miteinander im Gespräch bleibt.
Alles Gute für diese herausfordernde Zeit!
Deine Marita