Neulich waren Heike und Lukas bei mir im Paarcoaching. Es geht darum, dass Heike endlich mit Lukas zusammenziehen möchte. Lukas möchte das „im Prinzip“ auch, hat aber seine Bedenken. Wie stabil ist die Beziehung überhaupt? Immerhin streiten sie sich so oft. Ist das eine gute Basis, um die eigene Wohnung aufzugeben? „Das können wir nur herausfinden, wenn wir es ausprobieren“, meint Heike. Ja, aber… so drehen sich die beiden im Kreis und haben sich in eine Patt-Situation manövriert.
Warum hast du kein Vertrauen zu mir?
Heike hat den Eindruck, dass Lukas sie immer wieder vertröstet. Erst will er angeblich die Scheidung abwarten und das Finanzielle mit seiner Ex klären, dann wartet er plötzlich darauf, dass der Sohn eingeschult wird und gut in der ersten Klasse angekommen ist (was immer das bedeutet) und schließlich geht es darum, dass seine Tochter ihre Abiturprüfungen in Ruhe absolvieren muss – also heißt es warten, bis sie mit der Schule fertig ist. Heikes Geduld ist aufgebraucht, mittlerweile geht es ihr sogar körperlich schlecht. Sie kann nicht mehr gut schlafen. Sie hat das Gefühl, in der Luft zu hängen und am ausgestreckten Arm zu verhungern.
Lukas hingegen beteuert, dass das nicht seine Absicht ist und er wirklich mit Heike zusammenleben möchte. Ihm ist eben wichtig, dass sie erst eine gute, stabile Beziehung aufbauen. Immerhin hat er schon einmal erlebt, dass seine Ehe zerbrochen ist. Da ist es doch kein Wunder, dass er nicht leichtfertig und übereilt handelt. Wenn Heike es doch einfach mal schaffen würde, ein paar Wochen oder Monate nicht zu streiten und das Thema Einzug einfach mal ruhen lassen könnte. Das würde ihm bestimmt ein Gefühl von Sicherheit geben. Er will doch einfach nur keinen Fehler machen. Das hat doch gar nichts mit ihr zu tun! Warum versteht sie denn das nicht?
Erst wenn ich mich sicher fühle, können wir zusammenziehen…
Eine verzwickte Situation.
Die beiden haben sich in eine Patt-Situation manövriert:
Wenn Du nicht x machst, dann mache ich nicht y.
Das passiert tatsächlich ziemlich häufig bei Patchwork-Paaren. Dabei muss es nicht zwangsläufig ums Zusammenziehen gehen. Manche wünschen sich auch einen Antrag, ein (weiteres) Kind, die Scheidung oder dass sie endlich die Kinder kennenlernen. Was auch immer es ist, der andere Partner ist seinerseits nicht bereit, diesen nächsten Schritt zu gehen, denn er braucht zuerst eine Zeit ohne Streit, die Akzeptanz seines Tochter, ein gemeinsames Gespräch mit der Ex oder das Einverständnis seines Sohnes.
Das klassische Henne-Ei-Problem. Wo fängt man an? Was kommt zuerst? Zusammenziehen oder nicht mehr streiten?
Dabei sind Heike und Lukas gar nicht so weit voneinander entfernt wie sie glauben! Sie wollen im Grunde sogar beide das gleiche: Sicherheit, eine stabile Beziehung, das Vertrauen des anderen darin, dass der es ernst meint mit ihrer Liebe.
Beide wünschen sich ein Wir-Gefühl, aber jeder will, dass der andere zuerst in Vorleistung geht.
Wie kommt ihr aus dieser Patt-Situation heraus?
Als allererstes musst du dir wieder bewusst machen, wen du da gerade vor dir hast. Das ist nicht dein Feind, sondern dein liebster Mensch, mit dem zusammen sein möchtest! Ihr steckt zusammen in dieser Situation. Die „Aufstellung“ ist nicht Du gegen mich, sondern wir beide gegen das Problem.
Tipp Nr. 1: Hört auf, jetzt übers Zusammenziehen zu reden.
Wenn ihr merkt, dass eure Gespräche zu nichts führen, hört damit auf! Das klingt sehr profan, ist aber tatsächlich eine wichtige Fähigkeit, anzuerkennen, dass es gerade nichts mehr bringt, übers Zusammenziehen oder Kind-Kennenlernen weiter miteinander zu streiten reden.
Es ist unsinnig, immer weiter zu diskutieren, wenn es schon mitten in der Nacht ist (lies dazu den Absatz „Vertragt euch immer, bevor ihr schlafen geht“ im Blogartikel Die besten und schlimmsten Beziehungstipps von meiner Oma). Manche beschreiben sogar, dass sie sich innerlich dabei beobachten können, wie toxisch und wenig hilfreich es ist, was da gerade vor sich geht – und trotzdem machen sie weiter. Das Ego will eben Recht haben! Auch wenn dabei Scherben und Verletzungen entstehen.
Hört auf! Es reicht, wenn einer von euch beiden den Absprung schafft, egal wer. Es hilft euch als Paar, wenn einer merkt, dass es gerade destruktiv ist, weiterzumachen. Vereinbart ein Code-Wort, wie z.B. „Stop!“ oder „Das ist gerade nicht hilfreich.“ oder „Spaghetti!“ Es kann euer ganz persönliches Wort sein, das euch aus der Abwärtsspirale rausholt. Heute werdet ihr dieses Thema nicht lösen. Macht eine Pause.
Mein Mann und ich haben uns übrigens auf das Wort „Spieli!“ geeinigt. Das sagen die Kinder immer, wenn sie beim Fangen oder Verstecken eine kurze Pause brauchen. Es klingt so albern, dass wir meistens lachen müssen, wenn einer von uns es sagt.
Tipp Nr. 2: Lotet aus, ob einer ein bisschen mehr Kapazität hat.
Wenn ein Paar Probleme hat, geht es in der Regel beiden schlecht damit. Du bist traurig, verzweifelt oder wütend – dein Partner ist es auch! Ihr beide wollt euer Anliegen vorbringen und vom anderen verstanden werden. Einer muss den ersten Schritt machen.
Das kann nach einem Break (s. Tipp Nr. 1) am nächsten Tag sein oder vielleicht auch nach einem tiefen Atemzug. Schaffst du es, für einen kurzen Moment die Perspektive zu wechseln und deinem Partner wirklich zuzuhören? Es hilft zu wissen, dass du auf jeden Fall auch noch dran kommst und dein Standpunkt auch gehört wird. Das könnt ihr vorher vereinbaren.
Wenn du das gerade nicht kannst, ist das in Ordnung – aber dann wird ein Gespräch zu diesem Zeitpunkt nichts bringen. Macht eine Pause, tut jeder, was euch gut tut und euren Akku auffüllt. Das kann ein Spaziergang an der frischen Luft sein, das Lieblingslied hören oder ein Stück Schokolade essen. Wenn du jemanden hast, mit dem du reden kannst und der dir echtes Verständnis und Empathie entgegenbringt (ohne gegen den anderen zu bashen!), nutze das.
Tipp Nr. 3: Zusammenziehen hin oder her – Fokus auf das Positive
Wenn Paarzeit immer bedeutet, Probleme durchzukauen, hat man sehr bald keinen Bock mehr drauf.
Schafft euch bewusst schöne, verbindende Momente. Wenn ihr das Gefühl habt, dass eure Beziehung (bis auf gewisse Streitpunkte) grundsätzlich stabil ist, hilft euch das auch für die kippeligen Momente.
Der Fokus sollte sein, miteinander in Verbindung kommen, nicht unbedingt Lösungen finden. Paarzeit ist keine Übung in Effizienz, sondern braucht Langsamkeit. Ihr habt keine Ideen, wie ihr eure Paarzeit gestalten könnt? Da hab ich was für euch:
Tipp Nr. 4: Vereinbart ein Zeitlimit für das nächste Gespräch
Manche Themen (wie z.B. Zusammenziehen) sind so groß, dass man sie nicht in einem Gespräch abhandeln kann. Wenn man die Befürchtung hat, dann wieder bis spät in die Nacht zu diskutieren, ist die Bereitschaft für ein weiteres Gespräch nicht besonders groß.
Deshalb mein Tipp: Vereinbart ein Zeitlimit .
Die Einheit „für heute“ kann 30-60 Minuten lang sein.
Stellt euch einen Wecker. Wenn die Zeit rum ist, hört mit dem Gespräch auf. Egal, wie weit ihr bis dahin gekommen sind.
Denkt an den Fokus: Verbindung, nicht Lösung.
30 Minuten ruhig miteinander zu sprechen, ist viel mehr wert, als sich 3 Stunden lang die Köpfe einzuschlagen!
Tipp Nr. 5: Geht in die Fülle und macht ein Brainstorming.
Wir haben schon herausgefunden, dass ihr beide Sicherheit braucht, um den nächsten Schritt zu gehen.
Doch wie kann diese Sicherheit konkret aussehen? Was kann der andere tun, welche kleine Geste oder Handlung würde ich mir wünschen, die auf das Sicherheitskonto einzahlt? Was brauche ich von anderen, um selbst den nächsten Schritt zu gehen?
Wichtig ist, dass es sich um konkrete Bitte handelt, das heißt, sie müssen im Hier und Jetzt erfüllbar, positiv formuliert und konkret umsetzbar sein!
Im Fall von Heike und Lukas waren das unter anderem folgende Punkte:
- am Wochenende mit der Tochter eine Runde Mensch ärgere dich nicht spielen
- ein Pärchenfoto den beiden im Flur aufhängen
- die Blumenvase, die noch von der Ex im Haus steht, entsorgen
- eine Suche nach einer gemeinsamen Wohnung bei einem Immobilienportal einstellen
- ein Stop-Wort vereinbaren und im nächsten Streit nutzen
- sich jeden Tag eine Sache sagen, die man am anderen schätzt
- pro Woche einen Abend alleine als Paar einplanen
Es geht nicht darum, dass alle Punkte abgehakt werden müssen. Es sind Vorschläge, Einladungen. Wenn dein Partner dir sagt, was er sich konkret von dir wünscht, sieh es als Geschenk. Gerade Männer sind erleichtert, wenn sie wissen, was sie tun sollen, um ihre Partnerin glücklich zu machen. Denn das wollen sie! Es scheitert nur so oft daran, dass sie nicht wissen wie. Je konkreter du deinem Partner sagst, was du dir von ihm wünschst, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du es erfüllt bekommst.
Oft scheitern wir eher daran, dass wir das selbst nicht so ganz genau wissen… Wir haben manchmal die Vorstellung, dass der Mensch, der uns liebt, in unseren Kopf regelrecht reinschauen kann und natürlich genau weiß, was wir uns wünschen, noch bevor es uns selbst klar ist. Das funktioniert nicht! Deshalb mach die Übung und schreib die Liste.
Tipps Nr. 6: Holt euch Unterstützung!
Wie so oft: Die Theorie ist klar, die Umsetzung sau schwer!
Wenn ihr merkt, dass eure Streitmuster so verfahren sind, dass ihr selbst nicht rauskommt, holt euch – besser früher als später – Unterstützung. Das ist keine Schade, sondern ein sehr kompetenter Umgang mit Problemen. Ein Paarcoaching kann sehr hilfreich sein, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Je näher uns die andere Person steht, desto mehr sind wir emotional involviert. Bei unserem Liebsten ist der Frust besonders groß, wenn wir uns unverstanden fühlen. Das geht beiden so! Wenn der Akku von euch beiden total leer ist, ist es unendlich schwer, aus der Spirale herauszukommen. Dann hilft der Blick von außen, durch einen Mediator oder Coach.
Ich unterstütze euch gerne! Bucht euch einfach einen unverbindlichen Gesprächstermin über meinen Kalender.