Die Ex persönlich kennenzulernen ist eine gute Idee. Denn mit „der anderen Frau im Patchwork“ umzugehen, ist nicht leicht. Wenn euer Start an sich nicht gut gelaufen ist, ist damit aber noch nicht alles verloren. Allerdings wird es “von selbst“ selten besser, eher verhärtet sich die Situation. Ich plädiere deshalb dafür, dass sich die Ex und die Next möglichst frühzeitig kennenlernen. Je länger beide damit warten, desto höher wird die Hürde, über die man für ein erstes Kennenlernen springen muss.
Ich höre immer wieder, dass eine von beiden das auf keinen Fall will. Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Angst davor nehmen. Zu diesem Zeitpunkt geht es nicht um ein tiefes, umfangreiches Gespräch. Es ist vielmehr ein erstes Beschnuppern. Das Ziel ist, dass man sich mal gesehen hat, damit es nicht komisch wird. Oft wird es umso schwerer, je länger ihr dieses Ereignis vor euch herschiebt. Das Treffen kannst du vorschlagen, indem du der Ex einen Brief schreibst.
Wo sollte das Gespräch mit seiner Ex stattfinden?
Für den Ort, an dem das erste Gespräch stattfindet, gibt es mehrere Möglichkeiten. Manche verbinden es mit der Übergabe der Kinder. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich bei einem der ersten Wochenenden bei der Ex in der Küche saß. Sie hat mir einen Kaffee angeboten und wir haben kurz ein paar Minuten miteinander geredet. That’s it.
Unsere erste Begegnung verlieft sozusagen „kurz und schmerzlos“. Doch auch für längere Gespräche kann die Wohnung ein guter Ort sein. Dort finden sich gute Anknüpfungspunkte für Gesprächsthemen, sei es die Orchidee auf der Fensterbank oder die Kinderzeichnung am Kühlschrank. Allerdings können auch unangenehme Details auftauchen. Wie würdest du (innerlich) reagieren, wenn irgendwo noch ein Hochzeitsfoto herumsteht?
Jemanden in die Wohnung zu lassen, bedeutet immer auch, ein Stück seiner Privatsphäre offenzulegen. Du möchtest vermutlich nicht unbedingt, dass die Ex durch euer Schlafzimmer läuft. (Manchen macht das nichts aus, manche „springen über ihren Schatten“, um ihr zu zeigen, wo das Kind die Papa-Zeit verbringt.) Die Küche oder das Wohnzimmer sind da schon etwas neutraler – allerdings kann auch ein Bücherregel eine Menge über einen Menschen offenbaren. Wenn du merkst, dass du dich – weder bei dir noch bei ihr – wohl fühlst, schlag stattdessen ein Café vor.
Sich bewusst an einem öffentlichen Ort zu verabreden, ist natürlich etwas aufwendiger. Man muss sich extra Zeit nehmen, dort hinzufahren, statt es einfach an die Übergabe anzuhängen. Auch das Kind muss in der Zeit anderweitig betreut sein (vom Papa?). Auf neutralem Boden starten beiden mit den gleichen Bedingungen (sofern es nicht das Lieblingscafé der einen ist oder du gerade erst zu deinem Partner in eine neue Stadt gezogen bist). Es kann etwas steifer zugehen (wobei es vermutlich auch im allergemütlichsten Wohnzimmer zunächst eher ungewohnt und höflich distanziert ist!). Vielleicht fühlst du dich unwohl beim Gedanken an die anderen Menschen, die unter Umständen euer Gespräch mitbekommen.
Es gibt nicht „den perfekten Ort“ für euer Treffen. Oder doch:
Dort, wo du dich am wohlsten fühlst!
Wie fangen wir an?
Aprospos steif, höflich und distanziert. Die erste Frage, die oft gestellt wird, ist die ganz profane nach der Begrüßung. Sagen wir nur hallo, geben uns Hand oder direkt eine Umarmung mit Küsschen wie in Frankreich? Nun, meistens ergibt es sich. Sobald eine von beiden die Hand hinstreckt, wird die andere sie ergreifen. Wenn die Kommunikation bisher nur über deinen Partner lief, stell dich gern mit Namen vor. Vielleicht startet ihr mit einem Handschütteln und „Hallo, ich bin Marita.“ Du kannst auch einen Spitznamen nennen, wenn du damit lieber angesprochen werden möchtest. Damit ist die Begrüßung dann auch abgehakt.
Gerade am Anfang geht es erstmal darüber, überhaupt ins Gespräch einzusteigen. Du kannst es mit einem Bewerbungsgespräch vergleichen. Bevor man tiefer geht, macht man etwas Smalltalk: Hast du gut hergefunden/ einen Parkplatz gefunden? Schönes Wetter heute 😉 Was möchtest du trinken?
Die tiefergehenden Fragen kommen später – allerdings sind nicht alle Themen für das erste Treffen geeignet!
Worüber solltest du mit der Ex sprechen?
Für das erste Kennenlernen solltet ihr euch auf positive Gesprächsthemen konzentrieren, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Das Ziel ist es, eine entspannte und angenehme Unterhaltung zu führen, bei der beide Seiten die Möglichkeit haben, sich besser kennenzulernen.
Unverfängliche Themen sind
- Hobbys,
- Lieblingsbücher,
- Reiseerlebnisse,
- Lieblingsgerichte,
- Filme,
- Kunst und Kultur.
Vielleicht entdeckt ihr überraschend sogar Gemeinsamkeiten in euren Interessen.
Zeig Interesse an den Antworten der anderen Person, stelle Fragen und höre vor allem aufmerksam zu. Vermeide es, persönliche oder kontroverse Themen in den ersten Gesprächen anzusprechen. Respekt und Empathie sind hierbei von entscheidender Bedeutung.
Und worüber solltet ihr besser NICHT sprechen?
Außerdem gibt es bestimmte Themen, die ihr auf keinen Fall ansprechen solltet, um Konflikte oder Spannungen zu vermeiden:
- Vergangene Beziehungsprobleme oder romantische Details. Am besten vermeidet ihr sämtliche Themen rund um die vergangene oder aktuelle Beziehung. Das ist Privatsache und sollte besonders zu Beginn als Tabu betrachtet werden, um nicht peinlich zu werden.
- Finanzielle Angelegenheiten. Ein großer Konfliktpunkt im Patchwork ist das Thema Geld. Diskussionen über finanzielle Unterstützung, Unterhaltszahlungen oder sonstige Geldangelegenheiten haben zwischen der Ex und der Next aber nichts zu suchen.
- Kritik an der Erziehung. Dies kann zu Konflikten zwischen den Eltern führen und die Kinder in unangemessener Weise belasten. Irgendwann mal kann es sinnvoll sein, die Werte abzugleichen, die man bewusst oder unbewusst lebt und damit weitergibt. Für das erste Treffen ist das Thema aber nicht geeignet.
- Kontroverse politische oder religiöse Themen. Vermeidet es, über Politik und Religion zu sprechen. Egal, wer welche Überzeugungen mitbringt, im Patchwork geht es darum, den anderen so zu akzeptieren wie er ist und ihn nicht vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Denn das klappt sowieso nicht und sorgt nur für böses Blut.
- Persönliche Probleme. Deine eigenen persönlichen Probleme oder Beziehungsprobleme tun hier nichts zur Sache. Die andere Person ist nicht dein Therapeut oder Coach. Jede hat genug damit zu tun, sich um ihre eigenen emotionalen Herausforderungen zu kümmern.
- Persönliche Angriffe oder Beleidigungen. Für alle Beteiligten muss klar sein, dass Respekt und Höflichkeit an der Tagesordnung sind. Auch doppeldeutige Aussagen, Andeutungen oder Sarkasmus sind fehl am Platz, weil damit zu vieles kaputt gemacht werden kann.
Wie kann ich mich abgrenzen?
Die zwanghafte Suche nach Gesprächsthemen kann dazu führen, dass ihr bei einem Thema landet, mit dem du dich eigentlich unwohl fühlst. Möchtest du ein bestimmtes Gesprächsthema meiden oder kennst dich zu wenig aus, solltest du dieses auch nicht erwähnen. In diesem Fall ist es besser, die Stille kurz auszuhalten.
Auch wenn du selbst bestimmte Themen nicht auf den Tisch bringst, kann es natürlich passieren, dass die andere durchaus darüber sprechen will, was in der Vergangenheit alles schief gelaufen ist, dass sie dir die Erziehung ihrer Kinder nicht zutraut oder warum ihr Ex (dein jetziger Partner) ein Idiot ist. Es hilft, wenn du dir vorher überlegst, wo deine persönliche Grenze verläuft.
Vielleicht ist es dir möglich, sie ihren Ärger über Trennung einfach aussprechen zu lassen, ohne darauf einzusteigen oder es persönlich zu nehmen. Solange du dich nicht instrumentalisieren lässt, kann das sogar heilsam sein. Statt dass es weiter in ihr brodelt, könnte so ein „Auskotzen“ den Druck rausnehmen. Genauso gut kann es aber sein, dass du merkst, wie du bei jedem ihrer Worte innerlich zusammenzuckst. Dann ist es sinnvoll, dich klar abzugrenzen und deutlich zu machen: Bis hierher und nicht weiter!
„Was meinst du damit?“
Egal, was sie sagt – wenn dich irgendwas spontan trifft oder irritiert, frag einfach nach. Oft hören wir Vorwürfe oder Beschwerden, die vom anderen nicht beabsichtigt waren. Missverständnisse lassen sich am besten so früh wie möglich auflösen, bevor sie lange im Bauch grummeln und stundenlang das Gedankenkarussell in Bewegung versetzen. Der Satz „Was meinst du damit?“ gibt dir außerdem Zeit, um über eine Antwort nachzudenken oder dich innerlich wieder in eine entspannte, offene Haltung zu bringen.
„Zu diesem Thema möchte ich nichts sagen.“
Es ist völlig legitim, klare Grenzen zu ziehen. Du musst dich weder verteidigen, noch erklären oder dich überhaupt damit beschäftigen. Vor allem musst du – egal welches Thema – es nicht persönlich nehmen. Wenn du dich abgrenzen möchtest, helfen:
- Kurze, knappe Antworten
- Unemotional und sachlich bleiben
- Oberflächlich aber höflich sein
- Nicht vertiefen
Die Gesprächstechniken Grey Rock oder das softere Yellow Rock, die vor allem persönliche Grenzen wahren, sind als Strategien im Umgang mit Narzissten bekannt.
„Das nehme ich mal mit.“
Es gibt kein Thema, das unbedingt jetzt und sofort ausdiskutiert werden muss. Wenn tatsächlich eine Situation zur Sprache kommt, über die weiterer Gesprächsbedarf herrscht, nimm das Thema mit. Du kannst es notieren oder dir merken. Ob du dich dann tatsächlich weiter damit beschäftigen willst, bleibt immer noch dir überlassen!
„Magst du hören, wie das für mich ist?“
Zu jedem Thema gibt es mindestens zwei Sichtweisen. Wenn mehr Menschen daran beteiligt waren, hat sogar jeder seinen ganz eigenen Blick. Das anzuerkennen ist der erste Schritt, um sich wirklich gegenseitig zu verstehen. Allerdings ist nicht jeder immer gleich bereit dazu. Wenn wir noch mit unseren eigenen Emotionen beschäftigt oder sogar überfordert sind, können wir keinen Perspektivwechsel machen. Auf die Sichtweise von anderen reagieren wir dann defensiv, indem wir wütend werden und die eigene Meinung rechtfertigen.
Du kannst sie nicht dazu „zwingen“, dir auch deine Sicht der Dinge anzuhören – du kannst sie aber darum bitten oder sie dazu einladen. Mit der einleitenden Frage „Magst du hören, wie das für mich ist?“ gibst du ihr die Möglichkeit, ja oder nein zu sagen. Die meisten Menschen sind neugierig (es sei denn, sie haben auch dafür gerade keine Kapazität). Nach einem Ja oder einem inneren Zustimmen, ist das Gehirn viel mehr aufs Zuhören eingestellt.
Warum deine Haltung entscheidend ist
Eine Gefahr beim Kennenlernen mit der Ex besteht darin, alle Themen persönlich zu nehmen und auf dich selbst zu beziehen.
- Sie erzählt von ihrem Hobby – und du denkst, dass sie sportlicher, musikalischer oder kultivierter ist als du (oder sich so darstellen will).
- Sie spricht von ihrem Beruf – und du rechnest heimlich im Kopf nach, was sie damit wohl verdient.
- Es geht um Reiseerlebnisse – und du denkst nur daran, dass das ohne dich stattgefunden hat.
- Lieblingsbücher werden zu Facetten der Persönlichkeit, Essen und Trinken ein Maßstab, wie wichtig ihr die Gesundheit der Kinder ist und mit jeder lustigen Anekdote scheint sie dir nur ihren Humor unter die Nase reiben zu wollen.
Stop! Wichtiger als die Themen, über die ihr redet, ist deine grundsätzliche Haltung ihr gegenüber. Stell dir vor, dass du sie komplett neu kennenlernst. Nicht als Ex deines Partners oder als Mutter seiner Kinder – sondern als Mensch.
Wenn dich deine Emotionen wie Wut oder Traurigkeit überrollen, stell dir vor, dass diese Gefühle wie Wolken an dir vorüberziehen.
Du kannst sie getrost parken und später mit jemand anderem besprechen.
Die Ex ist nicht deine Therapeutin und – egal, was sie sagt oder getan hat – nicht dafür verantwortlich, wie es dir geht.
Wenn du dich vor ihr „auskotzt“ oder ihr dein Herz ausschüttest, könnte es sein, dass du das später bereust oder es dir peinlich ist. Lieber tief durchatmen oder kurz auf die Toilette verschwinden, bis du dich wieder gefasst hast.
8 Tipps für das erste Kennenlernen mit der Ex
- Je früher, desto besser. Der Sprung ins kalte Wasser wird nicht wärmer, je länger Du wartest! Tu es einfach.
- Starte bei Null. Versuche, alles, was bisher vorgefallen ist, und was dir dein Partner über sie erzählt hat, für den Anfang beiseite zu schieben. Lerne sie unvoreingenommen kennen. Als Mensch.
- Mehr zuhören als selbst sprechen. Wer fragt, führt. Lass sie reden, höre zu und lehn dich zurück. Mit „Wie meinst du das?“ erfährst du noch mehr über die Hintergründe. Du willst sie ja schließlich kennenlernen, das geht durch Zuhören am besten.
- Sieh es wie ein Jobinterview/ Vorstellungsgespräch. Überlege dir vorab, welche Fragen und Themen von ihr kommen könnten und entscheide, wie du darauf reagieren möchtest. Schreib dir eine What-To-Do-Liste. So bist du bestens vorbereitet.
- Go with the flow. Egal, wie viele Gedanken du dir im Vorfeld machst, das Kennenlernen mit der Ex wird garantiert nicht exakt so, wie du es dir jetzt ausmalst. Irgendwas ist immer. Lass dich davon nicht aus der Bahn werfen, sondern beobachte wie ein Reporter, was gerade Interessantes passiert.
- Es ist nur ein Gespräch. Dieses eine Treffen entscheidet nicht darüber, wie sich euer Verhältnis in den nächsten Wochen, Monaten oder Jahren entwickeln wird. Sieh es als einzelnen Baustein. Was daraus entsteht, ist noch völlig offen.
- Du kannst jederzeit gehen. Du bist freiwillig dort in diesem Cafe mit dieser Person, du musst nicht bleiben. Wenn du merkst, dass du dich absolut unwohl fühlst oder sich die Dinge nicht gut zwischen euch entwickeln, darfst du dich verabschieden.
- Sei stolz auf dich! Es ist mega, dass du das machst. Nicht nur, dass du Patchwork lebst und dich ein Stück weit mit um die Kinder deines Partners kümmerst – du bemühst dich auch um einen guten Kontakt zu ihrer Mutter. Dafür darfst du dir innerlich auf die Schulter klopfen. Setz dich aufrecht hin – Bauch rein, Brust raus. Das gibt dir innerlich Kraft!