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„Mama! Mamaaaaa!“ Kein Wort habe ich in den ersten Lebensjahren meiner Kinder häufiger gehört. Wenn mein Bonuskind da ist, wird tatsächlich viel häufiger nach Papa gerufen. Mittlerweile auch nach mir mit einem fast zögerlichen „Marita?“ Außer, er verspricht sich, weil seine Schwestern ständig „Mama“ rufen, dann rutscht es ihm raus, wenn er mich meint. Aber das geht mir schließlich auch oft so, wenn ich erst beim dritten Anlauf den richtigen Namen für das Kind finde, das ich gerade ansprechen möchte. 😉

Aber was, wenn es nicht nur aus Versehen passiert? Was, wenn die Frage: „Darf ich Mama zu dir sagen?“ ganz offen gestellt wird? Was macht das – mit dem Kind, mit seiner leiblichen Mama und mit dir?

Um die Gefühle, die das Wort „Mama“ alle beinhaltet und wie du damit umgehen kannst, geht es in diesem Artikel.

Auf der Suche nach dem richtigen Wort

Um in der Öffentlichkeit zu beschreiben, in welchem Verhältnis man als neue Freundin zu den Kindern steht, gibt es keinen passenden Begriff.

Mama, Papa und drei Kinder? Nein, das ist meine Patchworkfamilie.
Papa, Mama und die Kinder. Von außen ist Patchwork nicht leicht zu erkennen.

Die Bezeichnung Stiefmutter ist immer noch die allgemein in Deutschland geläufige, auch wenn der Begriff negativ belegt ist. Die Vorsilbe „Stief“- impliziert außerdem, dass der Stiefelternteil einen fehlenden Elternteil ersetzt. Dieses stammt aus der Zeit, als Ehen nicht geschieden, sondern nur durch Tod eines Elternteils beendet wurden.  

Kinder verändern die Beziehung mit der neuen Partnerin von einer Zweier-Partnerschaft in eine Konstellation mit mehreren Beteiligten. Durch das Kind hast du eine weitere „Rolle“ bekommen, die du in irgendeiner Art und Weise ausfüllen darfst, kannst, musst.

Eine Frage, die sich irgendwann stellt, ist: Wie werde ich genannt? Die Antwort zu finden ist entscheidend beim Prozess, seinen Platz zu finden.

Bei der Anrede geht es um mehr als Worte

Die Anredeformen für Mütter und Väter wandeln sich ständig. In den siebziger Jahren waren Kinder im Zuge der antiautoritären Erziehung aufgefordert, ihre Eltern beim Vornamen zu nennen, je nach Region auch in Verbindung mit dem männlichen oder weiblichen Artikel.

Aus „Mama“ und „Papa“ wurden also „der Udo“ und „die Bärbel“. Nun gibt es allerdings viele Udos, Bärbels und Sabines, aber nur eine (leibliche) Mutter und einen Vater für jeden Menschen. Die meisten Mütter wünschen sich, dass ihre Kinder sie Mama, Mami oder Mutti nennen. (Lies dazu auch: Wie ist dein „Mama-Name“?)

Ursula formuliert es so:

Da ist man einmal im Leben von jemandem Mama und dann soll mich das eigene Kind ganz gewöhnlich beim Vornamen rufen, wie alle anderen auch? Das fände ich schade. Mama genannt zu werden gehört für mich zum Mama-Sein dazu.

„Mutter“ – Es kann nur eine geben, oder?

Eine Angst im Patchwork ist, dass diese besondere Beziehung gefährdet werden könnte, wenn weitere Bezugspersonen für das Kind zu den Eltern hinzukommen. Gerade in der Verwendung des Wortes “Mama” kommt diese Unsicherheit zum Ausdruck.

Ilka ist Mutter von drei erwachsenen Kindern. Zu der neuen Partnerin ihres geschiedenes Mannes hat sie keinerlei Kontakt. Das hat sie nie gewollt. Sie klingt sehr verletzt, als sie mir von ihrer Familie erzählt. Dabei spielt für sie keine Rolle, wie viel Zeit seit ihrer Trennung vergangen ist. Sie sagt:

Der Begriff Stiefmutter geht gegen meine Würde. Es gibt nur eine Mutter, und die bin ich.

Da muss auch nicht krampfhaft ein neuer Begriff gesucht werden. Ob Stief-, Bonus- oder Zweitmutter. Das ist alles eine Frechheit. Denn keine andere Frau wird jemals den Status einnehmen, den ich für meine Kinder habe. Das sollte auch in der Bezeichnung deutlich werden.

Die andere ist höchstens die neue Freundin. Das wars dann aber auch schon. Es gibt nur eine Mutter. Punkt.

Das Thema löst also jede Menge Emotionen aus!

Ich kann auch mal wütend werden, wenn seine Kinder kommen.
„Mama!“ – Das kann einen ganz schön wütend machen!

Dass die leibliche Mutter nicht will, dass ihr Kind zur neuen Frau “Mama” sagt, kann ich gut nachvollziehen. Gerade diese liebevolle Bezeichnung ist ja ein Symbol für Liebe, Zuneigung und Verbindung. Leider wird schon die Bezeichnung “Stiefmutter” oder auch der moderne Begriff “Bonusmama” diesem Wunsch ja nicht gerecht.

Aber auch für die Bonusmama ist es nicht leicht.

Ich möchte von meinem Bonuskind nicht Mama genannt werden

Franziska ist unsicher, wie sie sich verhalten soll:

Die Kleine meines Freundes ist jetzt anderthalb und verbringt jedes 2. Wochenende von Freitag bis Sonntag bei uns. Ihr Papa und ich sind seit zwei Jahren zusammen, das heißt sie kennt keine andere Frau an seiner Seite. Seit dem letzten Wochenende fängt sie an, Mama zu mir zu sagen.

Ich sag dann immer „Nein, Mäuschen ich bin nicht deine Mama, Mama ist zuhause.“, aber irgendwie fruchtet das nicht und sie nennt mich weiter Mama…

Natürlich find ich es auf einer Seite süß, dass sie mich so nennt, andererseits hab ich so ein schlechtes Gewissen ihrer richtigen Mama gegenüber, aber ich weiß nicht wie ich die Kleine dazu bewegen soll mich bei meinem richtigen Namen oder zumindest nicht Mama zu nennen…

Zumal ich jetzt schwanger bin und ich mich dann frage wie es mal wird wenn mein Kind das Sprechen anfängt und mich (logischerweise) Mama nennt…

Wird sich meine Stieftochter dann ausgegrenzt fühlen?
Wie soll ich ihr klarmachen, warum mich ihre Schwester Mama nennen darf, sie aber nicht?!

Es ist aber – wie so oft – verdammt schwer, es allen recht zu machen. Auf der einen Seite heißt es „Du darfst das Kind nicht zurückweisen“ (wie in diesem Artikel), auf der anderen Seite gibt es die leibliche Mama, die etwas dagegen hat.

„Das ist aber nicht meine Mama!“

Übrigens gibt es auch das gegenteilige Phänomen: Man wird fälschlicherweise als „Mama“ bezeichnet und das Kind möchte das auf keinen Fall!

Claudia kennt es:

Kennst du das, wenn alle zusammen unterwegs sind und Fremde (Verkäufer oder Bedienungen) meinen, die Frau ist automatisch die Mutter von allen Kindern?

Das empfand mein Bonussohn immer als komisch. Er wusste nicht, ob er jetzt was sagen soll. Da ich keine eigenen Kinder bekommen konnte, hätte es mir schon weh getan, wenn er gesagt hätte: „Das ist nicht meine Mama!“

Ich habe das gespürt und wenn ich das Gefühl hatte, es klarstellen zu müssen, dann sagte ich immer: „Das ist nicht mein Sohn, den habe ich nicht geboren, nur lieb“.

Das klappt immer gut und wir fühlen uns alle mit dem Satz wohl.

Was bedeutet das Wort „Mama“ für (kleine) Kinder?

Bei meiner Recherche bin ich darauf gestoßen, dass Kinder auch zu Erzieherinnen Mama sagen. Pädagogische Fachkräfte machen sich dementsprechend auch Gedanken über das Thema Nähe und Distanz.

Die Bildungsstiftung element-i sagt dazu: Unsere Erwachsenendefinition von „Mama“ ist eine andere als die Bedeutung, die das Kind diesem Wort gibt.

Wenn Kinder „Mama“ sagen, bedeutet das sicherlich nicht: „Hallo du, die mich geboren hat“. Diese Bedeutung kann ein Kleinkind diesem Wort noch gar nicht geben.

„Mama“ bedeutet für vielmehr: „Hallo du, die sich gut um mich kümmert“, oder „Hallo du, ich brauche dich gerade“.

Wenn ein Kind zur Erzieherin (oder eben zu dir als „Stiefmutter“) „Mama“ sagt, heißt das also vor allem eins: dass es diesen Menschen als Bezugsperson ansieht und ihm vertraut. Voll schön, oder?

Mama sagen kleine Kinder auch manchmal zur Erzieherin im Kindergarten.
Kleine Kinder sagen auch manchmal „Mama“ zur Erzieherin.

Ich sage einfach: „Wir leben Patchwork.“

Eine alternative Benennung für diese moderne Definition ist Patchworkfamilie (engl. patchwork, ‚Flick-‘, ‚Stückwerk‘). Der Begriff wird jedoch nur im deutschen Sprachraum verwendet, in englischsprachigen Ländern nutzt man die Bezeichnung “blended family” (engl. to blend = mischen).

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul prägte durch sein Buch “Aus Stiefeltern werden Bonuseltern” einen neuen Begriff.

Als “Bonus” sind die neuen Partner von Eltern ein ZUsatz, kein ERsatz für verstorbene Elternteile, wie es die Stiefeltern in früheren Zeiten waren.

Das macht die Sache einerseits leichter, andererseits aber auch komplizierter. Der Begriff hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch nicht durchgesetzt und ist immer noch erklärungsbedürftig. In Belgien wurde vor 15 Jahren der Begriff „Plus Mother“ eingeführt, der dort mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert wurde.

Vor diesem Dilemma steht auch Friederike:

Mein Partner und ich ziehen zusammen. Wir freuen uns unglaublich. Wir ziehen in ein Reihenhaus, die Siedlung wurde neu hochgezogen, das bedeutet, alle sind neu. Es gibt ganz viele Kinder und ein tolles Außengelände, wo sie spielen können. Es bedeutet aber auch, jede Menge neue Nachbarn kennenzulernen und sich vorzustellen.

Wer bin ich? Wer bist du? Wer seid ihr?

Ich bringe zwei Kinder mit, mein Partner hat keine. Ich weiß nicht, was ich antworten oder wie ich es ausdrücken soll. „Nein, es sind nicht seine Kinder“ oder “Es sind nicht seine leiblichen Kinder“? Wir sind nicht verheiratet, also ist er offiziell nicht der Stiefvater. Aber er ist ja mein fester Partner und auch eine Vaterrolle für die Kinder. Die Jungs sagen nicht Papa, das wollen wir auch nicht. Wir haben kein Label, und das soll eigentlich auch so bleiben.

Ich glaube, ich sage einfach: “Wir leben Patchwork.”

Wie nennt dich dein Bonuskind?

Doch nicht nur nach außen, auch innerhalb der Familie ist es wichtig, individuelle Namen zu finden. Oft sind es die Kinder, die sich in der Wortnot zu helfen wissen und sich neue Anredeformeln ausdenken. Viele nutzen einfach den Vornamen oder eine kreative Bezeichnung wie Mimi, Nana oder Blumenmama. Ich war eine Zeitlang für meinen Bonussohn “Mamita”, eine Mischung aus Mama und Marita. 

Zeitungsartikel "Mamita darf nichts unterschreiben." Mein Mama-Name.
In diesem Zeitungsinterview ging es um das kleine Sorgerecht für Stiefmütter.

“Ein guter Kompromiss ist es, einen alternativen Namen für die neue Partnerin oder auch den neuen Partner zu finden. Wir haben uns, nachdem mein Sohn wieder und wieder davon angefangen hat, von der Kinderpsychologin beraten lassen und ihm dann erlaubt, sich einen „anderen“ Namen für meinen Mann auszusuchen, der mehr das ausdrückt, was er für ihn empfindet, als der bloße Vorname, dennoch aber nicht zu emotionalen Verwirrungen mit dem leiblichen Papa führen kann.

In unserem Fall nennt er seinen Vater weiterhin „Papa“, seinen Stiefvater „Baabi“ – damit können alle Parteien gut leben. Wichtig ist nur eine klare Differenzierung und klare Ansagen von allen Seiten.”

Wer die Mama ist, ist für Kinder nicht nur ein Begriff, sondern ein Gefühl, das durch Zeit, Verbindlichkeit, Nähe und vieles mehr definiert wird.

Wie heißt du für dein Bonuskind? Schreib es in den Kommentar!

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