Dein Bonuskind schmeißt seine Jacke auf den Boden – und du bist auf 180!
Dein Mann geht während eures Gesprächs ans Handy – und du beißt dir gerade noch auf die Zunge, um keine Bemerkung über seine omnipräsente Ex rauszuhauen!
Die große Bonustochter hat dich abschätzig angeguckt – und du fühlst dich wie die schlechteste Stiefmutter aller Zeiten.
Hast du dich jemals gefragt, warum du dich in bestimmten Situationen gestresst, wütend oder traurig fühlst? Na klar, der andere ist Schuld!
Gerade das Gefühl „Ärger“ ist oft stark mit der Situation im Außen und dem Verhalten der Menschen um uns herum verknüpft. Die tun einfach nicht das, was sich „gehört“, „logisch wäre“ oder einfach gerade deinem Wunsch entspricht. Da kann man nichts machen, zack, Opferrolle!
Aber was wäre, wenn deine Wut mehr mit deinen eigenen Gedanken und Überzeugungen zu tun hätte? Was, wenn du immer noch selbst entscheidest, ob und worüber du dich ärgerst?
Hier kommt das ABC-Modell von Albert Ellis ins Spiel – ein einfacher, aber kraftvoller Ansatz, um aus den stressauslösenden Gedanken auszusteigen. In diesem Artikel zeige ich dir anhand eines Beispiels aus der Praxis, wie es funktioniert. Außerdem bekommst du eine Übung an die Hand, wie du die ABC-Formel in deinem Alltag nutzen kannst.
Der soll aufhören zu rauchen!
Vor einiger Zeit habe ich den Ärgerprozess eines Vaters begleitet.
Auslöser: Der Fußballtrainer seines Sohnes raucht.
Die Bitte damit aufzuhören wurde ignoriert mit der Bemerkung, er täte das ja schließlich nur draußen und nicht in der Halle.
Es folgten jede Menge Bewertungen und Beurteilungen: „Das macht man doch nicht! Er hat doch eine Vorbildfunktion. Das ist unmöglich. Respektlos. Das kann man doch wohl erwarten. Eine Unverschämtheit!“
Da waren eine Menge Werte verletzt. So weit, so klar.
Wir versuchten zu ergründen, welche Bewertungen und verletzte Bedürfnisse sich hinter dem Ärger verbergen. Worum geht es dem Vater wirklich?
Respekt? Gesundheit? Ja, schon teilweise, diese sind jedoch zu weit von ihm selbst entfernt. Gerade in Erziehungsfragen denkt man oft an die „Bedürfnisse meiner Kinder“ (z.B. Gesundheit für die Kinder). Dabei ist es viel hilfreicher, bei sich selbst zu schauen.
Was könnte es für ihn selbst sein? Selbstwirksamkeit, also der Wunsch, dass seine eigenen Erziehungsbemühungen Früchte tragen?
Er sprach davon, dass er sich als Vater vom Podest gestoßen sieht, dass ein anderer ein wichtigeres Vorbild für seinen Sohn werden könnte als er selbst.
Einfluss? „Das ist so von oben herab. Mein Sohn sollte auf mich hören, meinen Rat befolgen, gehorchen.“ Eine große Sorge schwang dabei mit. Und irgendwann landeten wir bei „Vertrauen“. ❤️
Wenn sein Bedürfnis nach Vertrauen erfüllt wäre, müsste er nicht in Sorge sein, dass sein Sohn die „falsche“ Entscheidung trifft zu rauchen. Und wer hat es in der Hand, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen? Er selbst!
Das war so schön! Da waren wir völlig weg von „Der Trainer soll aufhören zu rauchen. Aber da kann ich ja nichts machen“ (Ärger verknüpft mit der Situation, Opferrolle) und bei seinem Wunsch nach Beziehung zu seinem Sohn (Gefühl der Sorge weist auf das unerfüllte Bedürfnis nach Vertrauen hin).
Auf Basis dieses Bedürfnisses, das ihm endlich bewusst ist, kann er dann Strategien entwickeln, wie er sich dieses erfüllen kann. Indem er die Beziehung zu seinem Sohn stärkt, Zeit, Aufmerksamkeit, aktives Zuhören, Empathie. Er hat es selbst in der Hand. Wie gut es doch ist, handlungsfähig zu sein. ❤️
Was ist das ABC-Modell?
Das ABC-Modell wurde vom Psychologen Albert Ellis entwickelt, einem Vorreiter auf dem Gebiet der kognitiven Verhaltenstherapie. Es ist ein Werkzeug, das uns hilft zu verstehen, wie unsere Gedanken unsere Gefühle und Verhaltensweisen beeinflussen. Das Modell besteht aus drei Komponenten:
- A (Activating Event/ Auslöser) – Das auslösende Ereignis: Dies ist die Situation oder das Ereignis, das eine emotionale Reaktion auslöst. Es kann etwas sein, das dir passiert, wie ein Konflikt mit einem Freund, oder etwas Internes, wie eine Erinnerung oder ein Gedanke.
- B (Beliefs/ Bewertungen) – Die Überzeugungen: Dies sind die Gedanken und Bewertungen, die du über das auslösende Ereignis hast. Diese Überzeugungen können rational und hilfreich oder irrational und schädlich sein.
- C (Consequences) – Die Konsequenzen: Dies sind die emotionalen und verhaltensmäßigen Reaktionen, die aus deinen Überzeugungen resultieren. Negative Überzeugungen führen oft zu unangenehmen Emotionen wie Angst, Wut oder Traurigkeit.
Nicht mehr ärgern in drei einfachen Schritten.
Das ABC-Modell ist nicht nur eine theoretische Idee, sondern ein praktisches Werkzeug, das du in deinem täglichen Leben anwenden kannst. Übertragen wir das Beispiel von oben in diese Schritte:
A – Auslöser: Der Fußballtrainer des Sohnes raucht.
B – Bewertung: „Das macht man doch nicht! Er hat doch eine Vorbildfunktion. Das ist unmöglich. Respektlos. Das kann man doch wohl erwarten. Eine Unverschämtheit!“
C – Konsequenz: Ärger auf den Trainer. Streit, vielleicht wird der Sohn das Team wechseln.
Das Geheimnis liegt im Hinterfragen – Erweiterung des ABC-Modells
Damit ist der Prozess jedoch noch nicht abgeschlossen. Nachdem der Vater die Überzeugungen (B) erkannt hat, die zu für ihn negativen emotionalen und verhaltensmäßigen Konsequenzen (C) führen, geht es darum, diese Überzeugungen aktiv zu hinterfragen und zu widerlegen. Dieser Schritt D (Disputing/ Durchdenken) ist entscheidend, um aktiv eine andere Sichtweise einzunehmen – und damit aus der passiven Opferrolle auszusteigen. Aus dem ABC-Modell wird sozusagen das ABCDE-Modell.
D (Disputing/ Durchdenken) – Welche andere Sichtweise ist möglich, gesünder und positiver?
Die Fragen, die er (und du) sich stellen sollten, lauten: „Ist das wirklich wahr? Gibt es Beweise für diese Überzeugung? Gibt es eine andere, rationalere Sichtweise?“
Was wäre, wenn der Vater seine Überzeugungen ändert?
Statt „Das macht man doch nicht! Er hat doch eine Vorbildfunktion.“ (B) könnte er denken:
„Ich bin ein Vorbild für meinen Sohn. Ich kann unsere Beziehung gestalten.“ (D)
Diese rationaleren und positiveren Überzeugungen führen zu besseren emotionalen und verhaltensmäßigen Auswirkungen – E.
E (Effekt) – Die Auswirkungen der neuen rationalen Überzeugungen
- Neue rationale Überzeugung (D): „Ich bin ein Vorbild für meinen Sohn. Ich kann unsere Beziehung gestalten.“
- Effekt (E): Mit dieser neuen Überzeugung fühlt er sich motivierter, optimistischer und bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um sein Ziel zu erreichen. Er kann konkrete Strategien entwickeln, wie er sich dieses erfüllen kann. Indem er die Beziehung zu seinem Sohn stärkt, ihm Zeit und Aufmerksamkeit widmet, aktiv zuhört und empathisch ist.
Das ABC-Modell im Alltag: Die ABCDE-Tagebuch-Übung
⚠️Schritt 1: Das auslösende Ereignis (A – Auslöser) identifizieren
Beginne mit der Identifizierung eines Ereignisses oder einer Situation, die eine starke emotionale Reaktion in dir ausgelöst hat. Notiere dies unter der Überschrift „A“.
💭Schritt 2: Die Überzeugungen (B – Bewertungen) aufschreiben
Schreibe die Gedanken und Überzeugungen auf, die du über dieses Ereignis hattest. Sei ehrlich und detailliert, und notiere alles, was dir in den Sinn kommt. Dies kommt unter die Überschrift „B“.
😢Schritt 3: Die Konsequenzen (C – Konsequenzen) beobachten
Beschreibe die emotionalen und verhaltensmäßigen Konsequenzen, die aus diesen Überzeugungen resultierten. Dies gehört unter die Überschrift „C“.
❓Schritt 4: Die irrationalen Überzeugungen hinterfragen (D – Durchdenken)
Nun geht es darum, die irrationalen Überzeugungen aktiv zu hinterfragen und zu widerlegen. Schreibe unter der Überschrift „D“ die rationalen Fragen und Gegenargumente, die du dir stellst.
😊Schritt 5: Neue, rationale Überzeugungen und deren Effekte (E – Effekt)
Ersetze die irrationalen Überzeugungen durch neue, rationalere Überzeugungen und notiere diese unter der Überschrift „E“. Beobachte und beschreibe die positiven emotionalen und verhaltensmäßigen Effekte dieser neuen Überzeugungen.
So kann das ABC-Modell in einzelnen Beispielen aussehen:
Beispiel 1: Das Kind des Partners begrüßt dich nicht
⚠️A (Auslöser): Das Kind meines Partners begrüßt mich nicht, wenn ich nach Hause komme.
💭B (Bewertungen): „Das Kind mag mich nicht und wird mich nie akzeptieren. Ich bin eine schlechte Stiefmutter.“
😢C (Konsequenzen): „Ich fühle mich traurig und abgelehnt. Ich ziehe mich zurück und vermeide den Kontakt mit dem Kind.“
❓D (Durchdenken): „Ist es wirklich wahr, dass das Kind mich nicht mag, nur weil es mich nicht begrüßt? Gibt es andere mögliche Gründe für sein Verhalten? Ist es fair, daraus zu schließen, dass ich eine schlechte Stiefmutter bin?“
😊E (Effekt): „Das Kind könnte schüchtern oder unsicher sein. Sein Verhalten bedeutet nicht zwangsläufig, dass es mich nicht mag. Ich kann Geduld zeigen und Wege finden, eine positive Beziehung aufzubauen.“
Beispiel 2: Dein Partner und seine Ex haben häufig Kontakt
⚠️A (Auslöser): Mein Partner und seine Ex haben häufig Kontakt.
💭B (Bewertungen): „Mein Partner hat immer noch Gefühle für seinen Ex. Unsere Beziehung wird nie stabil sein.“
😢C (Konsequenzen): „Ich fühle mich unsicher und eifersüchtig. Wir streiten oft über den Kontakt mit dem Ex-Partner.“
❓D (Durchdenken): „Ist es wirklich wahr, dass häufiger Kontakt bedeutet, dass mein Partner noch Gefühle für seinen Ex hat? Könnte es nicht auch sein, dass der Kontakt im besten Interesse der Kinder ist? Was zeigt mein Partner sonst, dass er mich liebt?“
😊E (Effekt): „Häufiger Kontakt kann bedeuten, dass mein Partner ein verantwortungsvoller Elternteil ist. Unsere Beziehung ist stabil, und ich kann darauf vertrauen, dass er mich liebt.“
(Hier erfährst du mehr darüber, warum du dich mit der Ex befassen solltest und wie du es schaffst, mit ihr klarzukommen.)
Beispiel 3: Gemeinsame Zeit mit dem Partner wird durch die Kinder des Partners unterbrochen
⚠️A (Auslöser): Unsere geplante Zeit zu zweit wird durch die Kinder meines Partners unterbrochen.
💭B (Bewertungen): „Mein Partner stellt mich nicht an erste Stelle. Unsere Beziehung ist nicht wichtig für ihn.“
😢C (Konsequenzen): „Ich bin frustriert und fühle mich vernachlässigt. Ich werde wütend und distanziere mich.“
❓D (Durchdenken): „Ist es wirklich wahr, dass mein Partner mich nicht an erste Stelle stellt, nur weil die Kinder manchmal unsere Zeit unterbrechen? Ist es nicht auch wichtig, dass er ein engagierter Elternteil ist?“
😊E (Effekt): „Mein Partner versucht, eine Balance zwischen den Bedürfnissen der Kinder und unserer Beziehung zu finden. Ich kann Verständnis zeigen und gemeinsam Lösungen finden.“
Beispiel 4: Unstimmigkeiten in der Erziehung
⚠️A (Auslöser): Mein Partner und ich haben unterschiedliche Ansichten zur Erziehung seiner Kinder.
💭B (Bewertungen): „Wir werden nie auf einen Nenner kommen. Unsere Beziehung wird ständig Konflikte haben.“
😢C (Konsequenzen): „Ich bin gestresst und fühle mich hilflos. Wir streiten oft über Erziehungsfragen.“
❓D (Durchdenken): „Ist es wirklich wahr, dass wir nie auf einen Nenner kommen werden? Können wir nicht Kompromisse finden und an unserer Kommunikation arbeiten?“
😊E (Effekt): „Unterschiedliche Ansichten sind normal. Wir können lernen, besser zu kommunizieren und gemeinsame Lösungen zu finden.“
Beispiel 5: Gefühl der Isolation in der Patchworkfamilie
⚠️A (Auslöser): Ich fühle mich oft isoliert, wenn mein Partner Zeit mit seinen Kindern verbringt.
💭B (Bewertungen): „Ich gehöre nicht wirklich zur Familie. Ich werde immer außen vor bleiben.“
😢C (Konsequenzen): „Ich fühle mich einsam und traurig. Ich ziehe mich zurück und versuche weniger, mich zu integrieren.“
❓D (Durchdenken): „Ist es wirklich wahr, dass ich nicht zur Familie gehöre? Gibt es Möglichkeiten, wie ich mich mehr einbringen kann? Wie zeigt mein Partner, dass er mich als Teil der Familie sieht?“
😊E (Effekt): „Es braucht Zeit, um in eine Patchworkfamilie hineinzuwachsen. Ich kann aktiv daran arbeiten, mich zu integrieren und gemeinsam Zeit mit der ganzen Familie zu verbringen.“
Diese Beispiele zeigen, wie das ABCDE-Modell helfen kann, negative Gedanken und Überzeugungen im Familienleben zu hinterfragen und in positivere, konstruktive Überzeugungen umzuwandeln.
Regelmäßiges Üben
Unser Gehirn auf „neues Denken“ zu programmieren, geht nicht über Nacht. Die ABCDE-Formel hilft dir dabei, alte Denkmuster Schritt für Schritt aufzubrechen und zu transformieren. Am besten wirkt es, wenn du langfristig am Ball bleibst. (Ähnlich wie beim Dankbarkeitstagebuch – vielleicht magst du beides sogar verbinden?)
- Täglich reflektieren: Nimm dir jeden Abend ein paar Minuten Zeit, um dein ABCDE-Tagebuch auszufüllen. Wähle ein oder zwei Ereignisse des Tages, die starke emotionale Reaktionen ausgelöst haben.
- Überzeugungen hinterfragen: Übe das regelmäßige Hinterfragen und Ersetzen irrationaler Überzeugungen durch gesündere Gedanken.
- Positive Veränderungen beobachten: Achte darauf, wie sich deine emotionale Reaktion und dein Verhalten im Laufe der Zeit verändern, wenn du diese Übung kontinuierlich durchführst.
Durch diese Übung wirst du nach und nach ein tieferes Verständnis dafür entwickeln, wie deine Gedanken deine Gefühle und Handlungen beeinflussen, und lernen, wie du diese Dynamik positiv verändern kannst.
Ich bin gespannt, was du mit dem ABC-Modell erlebst. Schreib es mir im Kommentar!