Stiefmutter werden ist nicht schwer, Stiefmutter sein dagegen sehr.
“Hey, Marita, hast du schon gehört: Matthias ist wieder Single!”
“Na und? Der ist doch viel zu alt für mich und außerdem hat er schon ein Kind!”
Stiefmutter sein – das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Es war 2009, ich war 28 Jahre alt und fand den Gedanken absurd. Ein acht Jahre älterer Mann. Noch schlimmer: Vater eines kleinen Jungen. Das passte nicht in meinen Kleinmädchentraum vom Traummann, Hochzeit und Bilderbuch-Familienleben. Aber wie das im Leben so ist, kann man sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt…
Das ist meine Geschichte, wie ich von einer kinderlosen Stiefmutter zu einer Mama und Bonusmama von „zwei Bauchkindern und einem Bonuskind“ geworden bin.
Will ich wirklich Stiefmutter sein?
Ständig tauchte in meinem Kopf die Frage auf: „Was soll dieser Mann mit Kind in meinem Leben? Warum wurde er mir geschickt?“ Und eines Tages hatte ich die Antwort glasklar vor mir: Ich stelle die falsche Frage! Nicht Matthias wurde mir geschickt, sondern ich ihm. Ich soll in seinem Leben sein und in dem Leben seines Sohnes.
So entschloss ich mich, trotz der ganzen Fragen und Unsicherheiten das Wagnis „Mann mit Kind” einzugehen und meine neue Rolle als Stiefmutter anzunehmen.
Verliebt und voller Energie
Die nächsten zwei Monate taten wir, was verliebte Paare halt so tun. Wir verbrachten jede freie Minute miteinander, schickten uns kitschige Emails, planten einen gemeinsamen Urlaub in Venedig.
Ich hatte mir zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt noch wenig Gedanken darüber gemacht, wie das Zusammentreffen mit seinem Sohn sein würde. Ich war so sehr mit unserem Verliebtsein und den Anfängen der Beziehung beschäftigt, dass ich den Sohn zwar im Hinterkopf als Teil des Ganzen akzeptierte, aber mich nicht bewusst damit auseinandersetzte. Ich war überzeugt, dass das alles schon klappen würde, weil wir als Basis unsere Liebe und diese Gewissheit meiner Vision hatten, dass das genauso sein soll. Ich hatte es als Aufgabe in meinem Leben akzeptiert, zu Matthias und seinem Sohn zu stehen, und war überzeugt, dass ich auch die nötigen Fähigkeiten dafür schon irgendwie bekommen würde. Stiefmutter sein – gar kein Problem für mich!
Jaja, die berühmte rosarote Brille.
Begegnung mit dem Stiefkind: Meine Rolle als Stiefmutter
An einem Wochenende im Januar war es dann soweit. Matthias fuhr 150 km zu seiner Ex, um den kleinen Tom abzuholen. Mittlerweile lebten wir beide in meiner Zweizimmerwohnung und so brachte er ihn direkt dorthin mit. Er hatte ein kleines Reisebettchen dabei, denn er war ja erst anderthalb Jahre alt.
Ja, und da stand ich nun mit einem kleinen Baby, ohne Erfahrung, ohne die Vorbereitungszeit einer Schwangerschaft, ohne Hormone und Mutterinstinkte, die einem dabei helfen, mit einem kleinen Kind umzugehen. Tom konnte noch nicht laufen, er hatte einen Schnulli, ein Fläschchen, musste gewickelt werden, Mittagsschlaf machen und fing gerade erst an, Nudeln mit den Fingern essen zu können. Ich hatte ja keine Ahnung! Ich war völlig unvorbereitet, konnte nur auf meinen Instinkt als Frau zurückgreifen und hoffen, dass meine eigene Kindheit und das, was man landläufig so über Erziehung weiß, ausreichen würde.
Ein Wochenende nach dem anderen
Gerade jetzt schaue ich mir die Fotos von den ersten Wochenenden an: wie Tom engelsgleich auf meinem weißen Sofa schläft, wie er an einem kleinen Tischchen laufen übt, wie Teile meines Wohnzimmers mit Sofakissen abgesperrt sind, um es kindersicher zu machen. Da sitzt er lächelnd in der Badewanne und kaut an einer kleinen Zahnbürste. Und hier ist ein Foto, auf dem mein Mann Tom auf dem Arm trägt und beide in die Kamera lächeln. Schöne Momente haben wir festgehalten zum Anschauen und Erinnern.
Aber ich erinnere mich auch an die Nächte, in denen Tom bitterlich geweint hat und sich stundenlang nicht beruhigen ließ. Ich hielt ihn im Arm, wiegte ihn, streichelte ihn und sang für ihn alle Schlaflieder, die ich kannte. Ich tat alles, was ich konnte, und konnte ihm doch nicht das geben, was er eigentlich wollte: seine Mama. Das Singen hat teilweise geholfen, und als ich nach Stunden nicht mehr konnte, sagte mein Mann: “Aber du musst singen!” Das wurde für die nächsten Wochen zu einer Art Mantra: du musst singen, du darfst nicht aufgeben, du kannst es schaffen.
In dieser Hinsicht war es vielleicht gut, dass Tom noch so klein war, denn in seiner Erinnerung gehöre ich immer schon zum Papa dazu.
Stiefmutter sein und Mutter werden
In der Phase nach unserer Hochzeit fingen wir an, gemeinsame Kinder zu planen. Alle Fragen und Unsicherheiten haben mich nicht davon abgehalten, es dennoch zu wagen. Als Tom vier Jahre alt war, kam seine Schwester Lisa auf die Welt und machte mich zu einer Mama, ein Jahr später folgte Anna. Ich war dann gut zwei Jahre in Elternzeit.
In dieser Zeit habe ich nicht nur meine Töchter geboren, gestillt, gefüttert, getragen, gewickelt, gebadet und geknuddelt, sondern auch viele Elternforen und Erziehungsratgeber gelesen. Ich las Bücher über die Nachteile von Schlaftrainings, die Wichtigkeit von Authentizität und die Entwicklung des Gehirns. Ich verstand, warum Kinder Wutanfälle bekommen, was hinter der Autonomie(“Trotz”)phase steckt und erlebte, wie unterschiedlich Theorie und Praxis sein können; dass man Dinge, die man einst komplett ausgeschlossen hat, plötzlich wie selbstverständlich doch tut und wie gut sich das anfühlen kann.
Mutter und Stiefmutter sein
Diese Phase hat mich und mein Denken grundlegend verändert. In der Zeit davor war mein Leben in zwei Teile geteilt: An den kinderfreien Wochenenden gingen wir aus, frühstücken gemütlich auf dem Balkon, nahmen am gesellschaftlichen Leben teil, einer Vernissage oder Weinprobe, und genossen unsere Zeit zu zweit. An den Tom-Wochenenden war der komplette Tagesablauf durch seine Schlafenszeiten bestimmt. Das Stiefmutter-Sein war also schon rein zeitlich auf etwa 4 Tage im Monat beschränkt. Erst die Erfahrungen, die ich als Mutter machte, stießen einen echten Veränderungsprozess in mir an.
Rückblickend haben wir in der Phase allein mit Tom sicherlich viele Fehler gemacht. In der Anfangszeit war ich unsicher, wie viel ich mich überhaupt in seine Erziehung einbringen sollte. Mein Mann hatte einen strengen Stil mit Regeln und Verboten, ein paar Wochen versuchten wir es mit der Belohnungstafel nach dem Motto „Wenn du 10 Sterne gesammelt hast, darfst du dir etwas wünschen.“ Dass das nur die Kehrseite der Medaille „Strafen” ist und der Beziehung absolut nicht förderlich, war uns zu dem Zeitpunkt einfach nicht bewusst.
Ein Vorteil war, dass wir die Situationen an den Wochenenden unter der Woche mit einigem Abstand besprechen und daraus lernen konnten. Aber oft führte das auch zu einem “Augen zu und durch”, da ja klar war, nach ein paar Stunden wäre er wieder bei seiner Mutter. Wir wollten die Wochenenden möglichst glatt über die Bühne bringen, da wäre ein Kind, das gehorcht und schlicht “funktioniert” natürlich praktisch. Dass BEziehung wichtiger ist als ERziehung, habe ich erst später gelernt.
Zusammenwachsen als Patchworkfamilie
Mittlerweile sind wir in der Phase angekommen, die ich “der ganz normale Wahnsinn” nenne. Im Alltagsleben unterscheiden sich viele meiner Herausforderungen nicht sehr von denen anderer Mütter. Schule, Hausaufgaben, Terminorganisation, Streitigkeiten unter den Geschwistern. Es sind dieselben Probleme, die herkömmliche Familien auch erleben. Dennoch kommen einige Faktoren dazu, die speziell sind. Besonders ist teilweise der Sonntagabend, wenn Tom von seiner Mutter zurückkommt. Dann braucht er viel Verständnis und Hilfe dabei, umzuschalten und hier wieder anzukommen. (Ich nenne das den Stiefmütter-Zyklus)
Mal ist das Kind da, dann wieder nicht
Wir haben eine klare Regelung, wann Tom bei uns ist und wann bei seiner Mutter. Das sorgt für eine gewisse Routine und Planbarkeit. 2017 gab es einen Umbruch: Tom ist zu uns gezogen. Seitdem ist er jedes zweite Wochenende bei seiner Mutter, die Ferien teilen wir hälftig. Also genau andersrum als es in den Jahren vorher war. Im Rahmen von Corona haben wir eine Zeitlang das Wechselmodell getestet.
Die Absprachen mit der Kindsmutter funktionieren mittlerweile sehr gut. So ist es auch immer mal möglich, Wochenenden zu tauschen oder bei Terminen gegenseitig einzuspringen. Ich sehe es klar als Vorteil, die Schließzeiten vom Hort gemeinsam mit der Kindsmutter abzudecken. Manchmal vermisst Tom seine Mama, dann bringen wir ihn an dem Wochenende dazwischen zusätzlich zu ihr, wenn es passt. Und ein Wochenende mit „nur“ zwei Kindern ist zwischendurch auch mal sehr entspannt.
Meine Haltung als Stiefmutter
Heute habe ich eine wertschätzende Haltung im Umgang mit den Kindern verinnerlicht. Ich bin davon überzeugt, dass alle Menschen aus guten Gründen handeln. Mein Ziel ist das so genannte „unden“, also „und machen“, eben Konsens statt Kompromiss, ein neuer Weg. Ich habe die Erfahrung gemacht, je mehr ich auf die Gefühle des anderen achte, desto offener wird er auch für meine Anliegen. Menschen tragen gern zum Wohlergehen anderer bei, wenn sie dies freiwillig tun können.
Ich bin dankbar und stolz darauf, wie weit wir schon gekommen sind, welche schwierigen Situationen wir gemeistert haben und wie wir mit den aktuellen Problemen umgehen.
Bevor ich Stiefmutter und Mutter geworden bin
Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie Menschen miteinander in Verbindung treten und wie Kommunikation „funktioniert“. Daher habe ich Sprachwissenschaften und Internationale Personalführung studiert. Mein Schwerpunkt war Chinesisch, also eine Kultur, die uns erst einmal völlig fremd ist. Über die Sprache (ja, ich spreche wirklich Chinesisch) hat sich mir auch die Denkweise erschlossen. Nach meinem Auslandsaufenthalt (ich war ein Jahr in China und bin nach dem Studium nochmal 6 Monate mit Up with People um die Welt gereist) habe ich 10 Jahre lang als Projektleiterin gearbeitet und ausländische Unternehmen dabei unterstützt, in Deutschland Fuß zu fassen. Kommunikation hat dabei natürlich immer eine große Rolle gespielt.
Während meiner Elternzeit habe ich mich dann verstärkt damit beschäftigt, wie ein guter Umgang mit Kindern gestaltet werden kann. Hier habe ich einige der Bücher, die mich geprägt haben, zusammengestellt. Am meisten berührt hat mich wiederum eine Sprache, nämlich die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg, auch „Giraffensprache“ genannt. Deshalb habe ich mich zur Trainerin ausbilden lassen und gebe mittlerweile Seminare an der VHS und verschiedenen Familienbildungsstätten. Noch mehr in die Breite geht das Konzept „Starke Eltern Starke Kinder“ – der Elternkurs vom Deutschen Kinderschutzbund. Dort bin ich als Elterkursleiterin zertifiziert.
Die Rückmeldungen, die ich von den (Patchwork)Familien erhalte, waren und sind für mich so wertschätzend, dass ich meine Tätigkeit in der Wirtschaft mittlerweile aufgegeben habe und mich nun ganz der Beratung von (Patchwork)Familien widme.
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Hier verrate ich Dir 14 Fakten, die du noch nicht über mich wusstest und die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin.
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