Es gibt kaum etwas Schmerzhafteres, als sich ignoriert oder abgelehnt zu fühlen. Besonders, wenn du dich bemühst, eine gute Beziehung aufzubauen, aber das Stiefkind dich konsequent ausgrenzt. Du stehst daneben, bietest deine Hilfe an, doch das Kind ruft nur nach Papa. Was steckt hinter diesem Verhalten? Und vor allem: Wie kannst du damit umgehen? Hier findest du einige Antworten und praktische Tipps.
Stiefmütter werden häufig ignoriert
Erstmal vorab – du bist mit dieser Frage nicht alleine! Es geht ganz vielen Stiefeltern so.
Hier einige Stimmen aus meinen Coachings:
Papa, Papa, Papa! Das ganze Wochenende geht das so! Manchmal frage ich mich, ob ich Luft bin.
Warum ignoriert das Kind meines Partners mich, obwohl ich direkt neben ihm stehe und ruft stattdessen seinen Vater, damit der ihm ein glas aus dem Schrank holt? Ehrlich, was soll das?
Am meisten stört mich, dass ich nicht begrüßt werde. Ich sage hallo und da kommt einfach nichts zurück! Das geht doch nicht! Ich habe schon mal gesagt: Wir spulen das jetzt zurück. Ich komme nochmal rein und dann begrüßt du mich!
Vielleicht fragst du dich, ob du etwas falsch gemacht hast – nicht nett genug warst, nicht geduldig genug, nicht interessant genug für das Kind. Aber das stimmt nicht. Die Reaktion des Kindes sagt nichts über deinen Wert als Mensch oder über deine Bemühungen aus. Kinder handeln oft aus ihren eigenen Ängsten, Loyalitätskonflikten oder Unsicherheiten heraus, nicht, weil sie dich persönlich ablehnen.

Wenn Kinder nur auf einen Elternteil fixiert sind
Dass Kinder sich zuweilen auf ein Elternteil fokussieren, ist nichts Ungewöhnliches! Die „Mama, Mama, Mamaaaaa“-Phase hat mich bei meinen eigenen Kindern ehrlicherweise auch manchmal genervt, denn immerhin haben sie doch auch einen Papa. Warum reicht der denn nicht aus?! Und viele Väter leiden ebenso darunter wie wir als Bonusmütter.
Anders als im Patchwork kommt aber in der Regel nicht so schnell die Frage auf, ob das Kind einen überhaupt noch liebt. Wir halten es an dieser Stelle für „normaler“ und beziehen es nicht so schnell auf uns. Stattdessen können wir die gängige Erklärungen gut annehmen und nachvollziehen:

Kinder entwickeln oft eine besondere Bindung zu einer Person, die als ihre Hauptbezugsperson gilt. Diese Bindung kann sich aufgrund von verschiedenen Faktoren herausbilden. Einer davon ist die Rolle, die jede Bezugsperson im Alltag spielt. Wenn ein Elternteil beispielsweise mehr Zeit mit dem Kind verbringt oder bestimmte Aufgaben häufiger übernimmt, wird das Kind diese Person eher als seine Hauptbezugsperson sehen. So weit, so nachvollziehbar.
Warum ignoriert mich mein Stiefkind?
Diese Erklärung gilt im Grund genommen auch im Patchwork. Gerade zu Beginn ist es ganz normal, dass Stiefkinder ihren Stiefeltern gegenüber eine gewisse Zurückhaltung oder sogar Ablehnung an den Tag legen. Dieses Verhalten hat in der Regel nichts mit dir persönlich zu tun (!), sondern mit den komplexen emotionalen Prozessen, die in einem Kind ablaufen. Dazu gehören:
Loyalitätskonflikte
Kinder fühlen sich oft gegenüber ihren leiblichen Eltern besonders loyal. Sie haben Angst, den Eindruck zu erwecken, dass sie ihren Vater weniger lieben, wenn sie sich zu dir, der neuen Partnerin, öffnen. Wenn ein Elternteil in einer neuen Beziehung ist, kann das Kind das Gefühl haben, zwischen seinen Eltern „wählen“ zu müssen. Es könnte sich schuldig fühlen, den neuen Partner des Elternteils zu akzeptieren, aus Angst, den anderen Elternteil zu verraten. (Lies hierzu auch: Trennung – Gefühle und Bedürfnisse hinter „bösen“ Verhaltensweisen)
Entwicklungspsychologische Faktoren
Außerdem ist der Vater in der Regel die vertraute Bezugsperson. Besonders, wenn die beiden eine lange Zeit allein waren, ist er die Person, mit der das Kind immer gesprochen hat. Kinder entwickeln Bindungen zu den Erwachsenen in ihrem Leben, vor allem zu denjenigen, die sie am längsten kennen. Wenn das Kind eine starke Bindung zu seiner Mutter oder seinem Vater hat, kann es besonders schwierig sein, einen neuen Erwachsenen in diese enge Bindung reinzulassen. Eine neue Person braucht einfach Zeit, um diese Rolle zu übernehmen.
Einfluss der Kindsmutter
Jaaaa, wahrscheinlich hattest du diesen Gedanken sowieso schon. Natürlich kann auch die Mutter (bewusst oder unbewusst) das Verhalten des Kindes beeinflussen, indem sie negative Einstellungen oder Unsicherheiten übermittelt. (Kleine Erinnerung: Dich darüber zu ärgern und aufzuregen ändert aber gar nichts an deiner Situation.)
Veränderungen im Familienleben machen unsicher
Wie sich Kinder verhalten, spiegelt vor allem, wie es ihnen geht. Es ist denkbar, dass das Kind unsicher ist, wie es mit der neuen Situation umgehen soll. Vielleicht braucht es einfach noch Zeit, um sich an die neue Familienstruktur zu gewöhnen und seine Gefühle einzuordnen. Scheidung und Trennung der Eltern lösen in Kindern eine Unsicherheit aus. Gleiches gilt für neu hinzukommende Partner, einen Umzug (Einzug, Zusammenziehen), erneute Hochzeit oder Schwangerschaft. Kinder fühlen sich durch diese Veränderungen oft überfordert und können sich emotional zurückziehen.
Was du tun kannst: Praktische Tipps
Auch wenn es weh tut, ignoriert zu werden, gibt es Wege, mit der Situation umzugehen. Dein Stiefkind braucht Zeit, um sich an dich und die neue Familienkonstellation zu gewöhnen – aber du kannst aktiv dazu beitragen, die Beziehung sanft zu verbessern. Hier sind einige Ansätze, die helfen können:
Nimm das Ignoriert werden bitte nicht persönlich
Es ist wirklich wichtig zu verstehen, dass das Verhalten des Kindes nicht darauf abzielt, dich zu verletzen. Kinder sind in diesem Alter (bis zur Pubertät und oft noch darüber hinaus) selten in der Lage, ihre komplexen Gefühle zu benennen. Die Ablehnung oder Ignoranz könnte vielmehr Ausdruck von innerer Unsicherheit oder dem Wunsch nach mehr Nähe zu ihrem biologischen Elternteil sein.
Zeit investieren
Gemeinsame Aktivitäten können helfen, die Bindung zu stärken. Mit kleinen, positiven Interaktionen beginnen. Zum Beispiel zusammen spielen, ein Buch vorlesen oder gemeinsam eine Aufgabe erledigen. Finde heraus, was dein Bonuskind gern mag. Dränge das Kind nicht zu einer engen Beziehung, sondern versuche, das Vertrauen durch gemeinsame Erlebnisse aufzubauen. Dafür ist es ratsam, regelmäßig Zeit mit dem Kind zu verbringen. Ich weiß, dass man nach einigen blöden Erfahrungen am liebsten flüchten möchte – aber es kann kein Gefühl von Zugehörigkeit entstehen, wenn du nicht da bist! 😉 (Parallel unbedingt Punkt 5 beachten!)
Geduld und Verständnis
Ich weiß selbst, wie schwer es ist und vermutlich hast du das auch schon hundertmal gehört: Vielleicht braucht ihr einfach noch mehr Zeit. Dann hilft nichts außer geduldig zu bleiben und nicht aufzugeben. Zeige dem Kind, dass du immer wieder da bist, auch wenn es noch nicht bereit ist, eine Beziehung zu dir aufzubauen. Mir hilft das Bild vom Bambus, der viele Jahre verborgen in der Erde wächst und Wurzeln ausbildet, bis er dann nach Jahren (!) plötzlich in die Höhe schießt!

Offene Kommunikation mit deinem Partner
Ja, auch dein Partner spielt eine wichtige Rolle in dieser Situation. Er sollte dir den Rücken stärken und sicherstellen, dass das Kind versteht, dass du Teil der Familie bist. Manchmal hat der Partner selbst Angst, sein Kind zu „verlieren“ und geizt mit der Zeit. Verständlich, immerhin verbringt es große Teile seines Lebens bei der Mutter und demnach ohne ihn. Wichtig ist, dass ihr nicht in ein Gegeneinander abrutscht. Ihr wollt doch dasselbe: Eine schöne gemeinsame Zeit. Setzt euch lieber alle zusammen und macht eine Familienkonferenz fürs Wochenende.
Eigene Selbstfürsorge nicht vergessen
Der Umgang mit einem Kind, das einen ausschließt, ist emotional auf Dauer belastend. Sorge für deine eigene emotionale Gesundheit, indem du dir regelmäßig Pausen gönnst und dich mit anderen austauschst, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben (z.B. in der Facebook-Gruppe). Nimm dir Zeit für Aktivitäten, die dir Freude bereiten und helfen, Stress abzubauen. Du darfst da sein und du darfst dich entscheiden, nicht alle Aktionen mitzumachen. Beides ist richtig! Es geht darum, eine gute Balance für dich zu finden.
Wann professionelle Hilfe sinnvoll sein könnte
Wenn sich das Verhalten des Kindes über längere Zeit nicht verändert oder die emotionalen Spannungen in der Familie wachsen, kann es hilfreich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Familienberatung oder ein Coaching hilft, Emotionen zu verarbeiten, Kommunikationsprobleme zu lösen und die Beziehungen zu stärken.
Dein entlastender Gedanke
„Ignoriert zu werden, sagt nichts über dich als Person aus – sondern viel über die innere Welt des Kindes. Du kannst das nicht erzwingen, aber du kannst darüber stehen. Bleib geduldig, bleib bei dir – das ist deine Stärke.“

Die Beziehung zu deinem Stiefkind wächst nicht über Nacht. Sie braucht Zeit, Geduld und viele kleine Schritte. Wichtig ist, dass du und dein Partner gemeinsam an dieser Herausforderung arbeiten und das Kind sich allmählich an die neue Familiensituation anpassen kann.
Wie bist du mit dem ablehnenden Verhalten deines Bonuskindes umgegangen? Teile deine Erfahrungen und Tipps in den Kommentaren!